Data Fluency: Das Potenzial von Informationen voll ausschöpfen

Warum Daten in der Kommunikationsbranche nicht nur in den Händen von wenigen Spezialist:innen liegen sollten, erklärt Uwe Schubert.

Daten waren schon immer ein integraler Bestandteil der Kommunikationsberatung. Doch die Verfügbarkeit und Menge von Datensignalen hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorm zugenommen. Während Daten früher eine Domäne von wenigen Expert:innen im Unternehmen waren, können sie heute allen Mitarbeitenden dabei helfen, im Alltag besser zu beraten und auch immer fundiertere Entscheidungen zu treffen.

Als Daten noch teuer und rar waren

Während meiner ersten Berufsjahre in der Strategie konnte ich selbst miterleben, wie Daten als wertvolles Gut gehandelt wurden und deren Verwaltung in den Händen weniger Auserwählter lagen. Mein damaliger Kollege Stefan war der einzige Recherchespezialist in einer großen Branding-Agentur. Nur er hatte Zugriff auf eine umfangreiche Wirtschafts- und Mediendatenbank. Darüber hinaus pflegte er persönliche Kontakte zu den Medienforschungsabteilungen großer Verlagshäuser und konnte so wertvolle Zielgruppendaten in Form von langen Kreuztabellen für unsere Projekte beschaffen. Das machte ihn zu einem wichtigen Ansprechpartner, aber auch zum Nadelöhr in der Agentur.

Daten waren damals ein Luxusgut, folglich eine Möglichkeit zur Differenzierung für Agenturen und Kommunikationsberatungen. Auch Feldforschung, ob quantitativ oder qualitativ, war eine kostspielige Angelegenheit und der Umgang mit beiden eine Tätigkeit für Spezialist:innen.

Digitaler Datenhunger und Data Overload

Mit der Etablierung neuer Social Analytics- und Programmatic Advertising-Technologien veränderte sich die Lage zum Ende der Nullerjahre grundlegend, es entstand ein großer Datenhunger. In der Branche war man überzeugt, dass man mit Daten, die nahezu in Echtzeit generiert wurden, alle großen Fragen im Marketing und in der Kommunikation schneller und besser beantworten könne. So glaubte man beispielsweise, dass Social Listening das regelmäßige Markentracking oder die 360°-Stakeholder-Reputationsstudie ersetzen könne.

Unternehmen und Agenturnetzwerke investierten große Summen, um mit Hilfe von Data Science die brennenden Fragen der Marken- und Kommunikationsverantwortlichen beantworten – und dafür auch immense Datensignale einfangen und verarbeiten – zu können.

Diese Ära mündete jedoch bald in einen Datenüberfluss. Wo früher Kund:innen noch begierig darauf waren, auf den ersten zwanzig Präsentationsfolien in Data Insights einzutauchen, trat eine Kehrtwende ein: Daten sollten nun vielmehr helfen Komplexität zu reduzieren und über intuitive Data Stories Antworten auf konkrete Fragen oder Hypothesen zu geben.

Es wird Zeit für echte Data Fluency

Das Vermächtnis dieses Data Science-Zeitalters ist immens groß. Es gibt heute so viele öffentlich zugängliche oder erwerbbare Datenquellen wie noch nie. Und die Investitionen von Agenturnetzwerken in ihren Data Stack haben es ermöglicht, dass Agenturen heute auf großen Datenschätzen sitzen. Doch der wahre Wert dieser Daten wird erst dann voll ausgeschöpft, wenn alle Mitarbeitenden in der Lage sind, diese zu verstehen und effektiv zu nutzen.

Die Vorteile für die Organisation liegen auf der Hand:

  • Steigerung der Beratungsqualität durch die Förderung informierter datenbasierter Entscheidungsfindung
  • Kompetenzerweiterung für Mitarbeitende durch das Lernen und Anwenden zukunftsfähiger Datentools und durch den erworbenen Erkenntnisgewinn
  • Förderung einer kreativen Datenkultur durch die institutionalisierte Integration von analytischem Denken und kreativer Problemlösung

Zusammengefasst: Data Fluency fördert die Fähigkeit der Mitarbeitenden, die richtigen Fragen zu stellen, Business-Probleme zu verstehen und zielgerichtete Lösungen zu entwickeln.

 Direkt oder doch lieber indirekt?

Im Wesentlichen haben Agenturnetzwerke und Unternehmen zwei Möglichkeiten, wie sie ihren Mitarbeitenden Zugriff auf notwendige Daten geben können:

  1. Indirekt und zentral – Der wirtschaftlich vermeintlich effizientere Weg: Datenanfragen werden an ein Spezialist:innenteam gesendet, das nach Bearbeitung und Filterung die entsprechenden Informationen zur Verfügung stellt. Das kann gut funktionieren, sofern Briefing und Abstimmung prozesssicher und akribisch geplant sind. Allerdings kann sich dieser Schritt als auch schwerfälliges Bürokratiemonster erweisen, das zusätzliche Fehlerquellen offenbart.
  2. Direkt und dezentral – Der organisatorisch anspruchsvollere, aber effektivere Weg: Alle Mitarbeitenden erhalten direkten Zugriff auf die wesentlichen Datentools und können auf diese Weise selbst nach Zielgruppen segmentieren oder den Share of Voice der ihnen anvertrauten Marke ermitteln. Diese Option kann nur funktionieren, wenn Mitarbeitende durch entsprechende Trainings befähigt werden.

Aus unserer Erfahrung eignet sich der zweite Weg besser für eine Agentur oder ein Unternehmen mit unterschiedlichen Divisions. So hat sich auch FleishmanHillard entschieden, allen Mitarbeitenden weltweit direkten Zugriff auf zentrale Datentools für Zielgruppenanalysen, Monitoring und Social Analytics zu gewähren. Denn letztlich kann kein Spezialteam die Bedürfnisse und Herausforderungen von Kund:innen so gut einordnen wie die Projektverantwortlichen. Zudem bieten sich in einem global agierenden Netzwerk zu viele Möglichkeiten der Datenabfrage, um diese nur auf ein Team zu begrenzen.

 Datenanalyse so einfach wie Googeln

Es ist ein neues Zeitalter der Datennutzung angebrochen. Wo man früher auf Research-Spezialisten oder Data Scientists angewiesen war, können heute alle Mitarbeitende in Kommunikationsberatungen viele wichtige Kundenfragen mit einfach zugänglichen Datentools selbst beantworten. Im Briefing Call schnell die Zielgruppen checken, im Redaktions-Meeting die Themen verifizieren oder im Jour fixe die Durchdringung der Kampagnenbotschaft in Zahlen parat haben – all das wird durch die Nutzung von Generativer KI im Copiloten vereinfacht und barrierefrei gestaltet.

Als Stratege und Datenjunkie freue ich mich sehr auf die neue Ära der Data Fluency.  Auf Datenspezialist:innen kommen  sehr wichtige und neue Aufgaben zu, dazu zählt auch ihr Know-how dafür einzusetzen, Data Fluency im Unternehmen zu ermöglichen und auszubauen.

  • Uwe Schubert

    Uwe Schubert ist Senior Vice President und leitet das Strategieteam bei FleishmanHillard in Deutschland. Mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in diesem Bereich deckt er aussagekräftige Verbrauchererkenntnisse auf und entwickelt starke Marken mit Sinn und Überzeugung. Durch die Kombination verschiedener...

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