Infotainment auf Rezept – Chancen, Risiken und Nebenwirkungen durch Medfluencer:innen*
Heutzutage sind Influencer:innen gerade aus der Online-PR kaum mehr wegzudenken. Man kennt sie vor allem aus den Bereichen Mode, Beauty und Lifestyle. Die erfolgreichsten unter ihnen erreichen auf den unterschiedlichsten Social-Media-Plattformen Tausende oder sogar Millionen von Menschen. Neu jedoch sind Medfluencer:innen: eine Gruppe, die nicht nur aus dem medizinischen Klinik- oder Praxisalltag berichtet, sondern auch mithilfe ihres wissenschaftlichen Fachhintergrunds Aufklärung betreibt und zu medizinischen Themen informiert (quasi eine neue Generation von Key Opinion Leaders, die bereits seit Jahrzehnten ein stützender Pfeiler der Healthcare-PR sind). Dabei werden komplexe Zusammenhänge über Social-Media-Kanäle in verständlicher Art und Weise erklärt. Zudem wird immer wieder die Aufmerksamkeit auf Themen wie beispielsweise den Pflegenotstand in Deutschland gelenkt.
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Spätestens seit Corona ist der Anteil an Gesundheitsexpert:innen in den (sozialen) Medien spürbar gestiegen.
Leider handelt es sich nicht immer um ausgewiesene Expert:innen: Neben Influencer:innen, die tatsächlich einen wissenschaftlichen oder sogar medizinischen (Fach-)Hintergrund haben, gibt es auch einen Teil selbsterklärter Gesundheitsexpert:innen. Und genau das kann zum Problem werden.
In einer Untersuchung von 2021 hat das interdisziplinäre Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK) der Universität Bielefeld die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der Corona-Pandemie untersucht.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Nutzung digitaler Gesundheitsinformations- und Kommunikationsmöglichkeiten zugenommen hat.
Gleichzeitig macht die Untersuchung aber auch deutlich, dass der Anteil an geringer digitaler Gesundheitskompetenz ganze 75,8 Prozent beträgt. „Gesundheitskompetenz“ bezeichnet dabei die Fähigkeit, im Internet relevante Gesundheitsinformationen zu suchen, zu finden, zu verstehen, deren Zuverlässigkeit zu beurteilen und sie umzusetzen.
In Kombination mit dem steigenden gesundheitsbezogenen Angebot im Netz und seiner erhöhten Nutzung birgt dies ein Risiko. Umso wichtiger ist es, hier einen besseren Durchblick zu bekommen.
Medfluencer:innen und ihre (rechtlichen) Grenzen
Für Menschen außerhalb der Healthcare-Bubble vermutlich überraschend: Während sich Influencer:innen meist mit nur wenigen Regelungen auf den Social-Media-Kanälen auseinandersetzen müssen, treffen Medfluencer:innen, die tatsächlich ausgebildete Fachärztinnen oder Fachärzte sind, auf ganz andere (rechtliche) Hürden oder gar Grenzen.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit – oder gar als verbindliche Rechtsberatung – hier eine kurz zusammengefasste Auswahl:
- Neben den Berufsordnungen für Ärzt:innen stellt das Heilmittelwerbegesetz den rechtlichen Rahmen für Werbung im deutschen Gesundheitswesen auf. Durch das Gesetz werden nicht nur ausreichende Informationen zu Medizinprodukten sichergestellt, sondern es wird auch irreführende oder unangemessene Werbung reguliert. So dürfen beispielsweise ausgebildete Fachärztinnen oder Fachärzte auf ihren Social Media-Kanälen keine so genannten Heilungsversprechen abgeben – ‚Lieschen Müller‘ ohne medizinische Ausbildung muss hingegen mit keinerlei (rechtlichen) Konsequenzen von der Ärztekammer o.ä. rechnen.
- Ärztinnen und Ärzte unterliegen der Schweigepflicht. Patientenbezogene Informationen sollten möglichst nicht – und wenn, dann nur mit dem Einverständnis der Betroffenen – veröffentlicht werden. Aber auch dann muss die Vertraulichkeit gegenüber den Patient:innen gewahrt bleiben, denn selbst aus den online verfügbaren Information darf zu keiner Zeit ein Rückschluss auf die Identität der Patient:innen möglich sein.
- Fernbehandlungsverbot: Ärztinnen und Ärzten ist es nach Berufsrecht untersagt, ausschließlich über (soziale) Kommunikationsmedien therapeutische individuelle Empfehlungen zu geben. Erlaubt ist die Beantwortung allgemeiner Gesundheitsfragen. Online-Informationen ersetzen nicht ein Arztgespräch bzw. eine ärztliche Diagnose.
Fun-Fact: Bereits 2014 hat die Bundesärztekammer eine Handreichung erstellt. Diese zeigt, worauf Ärztinnen und Ärzte sowie und Medizinstudent:innen bei der Nutzung sozialer Medien achten sollten. Damit war die Kammer dem aktuellen Medfluencer:innen-Peak ein paar Jahre voraus.
Die Regeln des sauberen wissenschaftlichen Arbeitens gelten auch im Netz
Wer über medizinische Themen informiert, sollte wissen, was evidenzbasierte Medizin ist und wie man wissenschaftliche Daten interpretiert.
Personen mit einem Medizinstudium oder einer Ausbildung im Gesundheitsbereich haben wissenschaftliches Arbeiten in der Regel gelernt, können Studien richtig lesen und achten auf seriöse Quellen und saubere Statistik.
Mehrwert für gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung
Immer mehr Menschen sind schon auf den Social Media Plattformen unterwegs und holen sich ihre Informationen bei Instagram, YouTube & Co.
Neben Ärztinnen und Ärzten oder Pfleger:innen haben auch Ernährungs- und Gesundheitsexpert:innen den unkonventionellen Weg über die sozialen Medien entdeckt, um über Gesundheitsthemen zu informieren.
Einmal bekannt geworden, nutzen die Medfluencer:innen dann gerne ihre Reichweite in ebendiesen Kanälen, um die Öffentlichkeit über medizinische Mythen aufzuklären sowie digitale PR & Marketing zu betreiben.
Dabei sind Medfluencer:innen auf dem Smartphone in der Tasche und ganz ohne Termin jederzeit verfügbar.
Sie teilen online Informationen zu Krankheiten und den neuesten Behandlungsmethoden, geben Einblick in den Praxis- und Pflegealltag oder sprechen wichtige Themen wie Prävention und Therapieadhärenz an.
Risiken und Nebenwirkungen – unser Fazit
Grundsätzlich gilt: Um sich als Medfluencer:in zu präsentieren, muss man sich nicht zwingend qualifizieren – jeder kann im Netz über Gesundheitsthemen sprechen.
So jedoch können sich auch schnell Falschinformationen verbreiten.
Laien unterliegen in den Social Media kurioserweise weniger Restriktionen als Ärztinnen und Ärzte.
Es ist also ein wachsames Auge geboten: Genau prüfen, wem man folgt – und ob eine medizinische Ausbildung vorhanden ist. So können gesundheitsbezogene Aussagen entsprechend bewertet und eingeordnet werden.
Ein Blick in das Profil oder Impressum des Social-Media-Kanals kann sehr hilfreich sein.
Die Spielregeln für PR & Marketing im Gesundheitswesen scheinen komplex, der Medfluencer-Dschungel undurchdringlich.
Doch abseits klassischer Werbung können auch Medfluencer:innen mit guten Inhalten überzeugen. Nicht zuletzt deshalb spielen sie in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der Öffentlichkeit über wichtige Gesundheitsthemen.
Am Ende gilt aber immer: Bei konkreten gesundheitsbezogenen Fragen oder gesundheitlichen Beschwerden ersetzen Medfluencer:innen nicht den Arztbesuch – egal, welche Qualifikation sie vorweisen können.
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* Dieser Artikel bezieht sich mit dem Begriff Medfluencer:innen auf Influencer:innen, die edukativ im Bereich Gesundheitskommunikation agieren (möchten). Patienten, die aufgrund ihrer eigenen Erkrankung Experten auf einem speziellen medizinischen Gebiet sind und sich vor allem im Bereich Awareness für die jeweilige Erkrankung engagieren, sind hier ausgenommen.
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Hannah Jahnke ist seit Oktober 2012 Teil des Healthcare Teams von FleishmanHillard in Deutschland. Ihre Expertise liegt in der strategischen Beratung sowie der Entwicklung und Umsetzung von Kommunikationsstrategien für Rx und otc Präparate mit einer weiten Spannbreite an Indikationen aber...
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Jana Gessert ist seit Oktober 2021 als Senior Account Executive Teil des FleishmanHillard Healthcare Teams und bringt fast 4 Jahre Erfahrung in der Gesundheitskommunikation mit. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der strategischen Kundenberatung sowie auf der Entwicklung und operativen...
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