Worauf es bei interkultureller Krisenkommunikation ankommt

Unternehmen, die international auf Dauer erfolgreich sein wollen, müssen ihre Kommunikation an unterschiedliche kulturelle Kontexte anpassen. Das gilt umso mehr im Krisenfall, wenn Botschaften schnell und zielgenau sowie akkurat, unmissverständlich und in einer angemessenen Tonalität übermittelt werden. Geschieht das nicht, kann das schnell zu Missverständnissen bis hin zum Reputationsverlust führen.

Interkulturelle Krisenkommunikation bedeutet in diesem Sinne also, Strategien so zu entwickeln oder anzupassen, dass sie kulturell bedingte Unterschiede in der Wahrnehmung, in der Bewertung und im Umgang mit Krisen berücksichtigen. Bei FleishmanHillard erleben wir immer wieder Situationen, in denen es für Kund:innen erforderlich ist, sensible Themen in verschiedenen Märkten gleichzeitig zu kommunizieren. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein großer Hersteller von Haushaltsgeräten und entdecken, dass es bei einem Ihrer meistverkauften Produkte durch einen Produktionsfehler zu potenziell gefährlichen Fehlfunktionen kommen kann. Sie müssen nun Wege finden, Ihre Konsument:innen in rund 30 Ländern auf fünf Kontinenten kurzfristig zu erreichen, um sie darüber aufzuklären.

Entwicklung von Marktsensibilität

Diese Länder haben jedoch ganz unterschiedliche Marktgepflogenheiten und Medienlandschaften. Wie gehen Sie vor? Genügt es, den jeweiligen regulatorischen Informationspflichten zu entsprechen, um die Konsument:innen zu erreichen? Welche Kommunikationskanäle und Formate werden von diesen bevorzugt genutzt? Und wie ist es überhaupt um das Problembewusstsein und die Sensitivität hinsichtlich fehlerhafter Haushaltselektronik bestellt? All das sind Fragen, mit denen Sie sich im Vorfeld auseinandersetzen müssen.

Auch das Thema Restrukturierung ist ein Bereich der Krisen- und Change-Kommunikation, welches in verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. So werden etwa Werksschließungen und Stellenstreichungen in den USA traditionell weit weniger kritisch betrachtet als in Europa. Daher ist bei US-Unternehmen mitunter erst Überzeugungsarbeit zu leisten, dass es in europäischen Ländern hinsichtlich der Kommunikation mehr Fingerspitzengefühl bedarf, als sie es aus dem Heimatmarkt gewohnt sind.

Kurzum: Jede Kultur hat ihre eigenen Werte, Normen und Kommunikationsstile. Die Basis für jede erfolgreiche interkulturelle Krisenkommunikation ist daher ein tiefes Verständnis der kulturellen Kontexte sowie der kulturellen Werte und Normen der Zielgruppen.

Erfolgsfaktoren

Als globale Netzwerkagentur begegnen wir immer wieder Krisensituationen, in denen interkulturelles Gespür gefragt ist – sei es für deutsche Kund:innen, die international aktiv sind, für Kund:innen aus anderen Weltregionen, die den hiesigen Markt betreten oder bezüglich der Arbeit in interkulturellen Teams, die über die ganze Welt verteilt agieren. Unserer Erfahrung nach sind vier Schlüsselfaktoren zu beachten, um interkulturelle Krisenkommunikation effektiv zu gestalten:

  1. Verständnis der kulturellen Kontexte

Bevor eine Krisenkommunikationsstrategie definiert und Kernbotschaften formuliert werden, gilt es, den Kontext der Krise zu verstehen und zu wissen, wie sie sich auf die Stakeholder in den betroffenen Regionen auswirkt. Welche kulturellen Dimensionen beeinflussen, wie Menschen eine Krise wahrnehmen und darauf reagieren? Wie bewerten sie zum Beispiel Individualismus im Vergleich zu Kollektivismus, wie ist ihr Verhältnis zu Unsicherheitsvermeidung, Machtdistanz oder langfristiger Orientierung?

Erfolgt die Konfliktverarbeitung im Sinne einer westlich geprägten „Schuldkultur“ oder eher einer „Schamkultur“, wie sie beispielsweise in asiatischen Regionen zu finden ist? Ist der Sprachstil direkt oder indirekt, emotional oder rational? Welche visuellen Aspekte, etwa hinsichtlich Symbolik und Farbgebung, sind zu beachten? Welchen Stellenwert haben Autorität und Hierarchie (was die Wahl der Informationswege beeinflusst)? Die Recherche und Analyse dieser Faktoren sind notwendig, um Botschaften sowohl inhaltlich als auch bezüglich der Art und Weise ihrer Übermittlung auf die Bedürfnisse der Stakeholder abzustimmen.

  1.  Wahl der Kommunikationskanäle

Der nächste Schritt besteht darin, den richtigen Kanal für die Übermittlung der Botschaften zu wählen. Je nach Kultur können gewisse Kanäle effektiver, glaubwürdiger oder zugänglicher sein als andere. In westlichen Ländern ist es nach wie vor üblich, Informationen aus klassisch redaktionellen Medien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen und ihren digitalen Ablegern zu beziehen, während in anderen Märkten Social Media-Plattformen und Messenger-Dienste wichtigere Leitmedien darstellen (die sich wiederum je nach Land unterscheiden können). Wir haben beispielsweise die Erfahrung gemacht, dass in den arabischen Golfstaaten WhatsApp das Mittel der Wahl selbst für die hochoffizielle Kommunikation mit Kund:innen und Geschäftspartner:innen ist.

Die Wahl des Kommunikationskanals beeinflusst zudem die wahrgenommene persönliche Nähe. Ein Telefonanruf, eine Videobotschaft oder ein persönliches Treffen vermitteln eine persönliche Note, während ein Brief, eine E-Mail, eine Pressemitteilung oder der Hinweis auf einer Website formeller und unpersönlicher wirken. Die Wahl des richtigen Kanals trägt dazu bei, die Zielgruppen schnell, einfach und überzeugend zu erreichen.

  1. Ton und Stil

Ebenso gilt es, Ton und Stil der Kommunikation an kulturellen Normen und Erwartungen auszurichten. Den richtigen Ton zu treffen zeugt von Respekt, Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit. In ostasiatischen Ländern, wie Japan oder Korea, erwartet man in öffentlichen Kontexten einen förmlichen, höflichen und bescheidenen Stil, während es beispielsweise in den USA üblich ist, eher informell, freundlich und selbstbewusst zu formulieren. In lateinamerikanischen Kulturen kann eine emotionale, ausdrucksstarke und apologetische Ansprache als Zeichen von Ehrlichkeit und Menschlichkeit angesehen werden, wohingegen Deutschland als klassisches Beispiel einer Gesellschaft gilt, in der ein sachliches, logisches und lösungsorientiertes Vorgehen dominiert. Je nach kulturellem Kontext ist also zu entscheiden, ob eine direkte, klare und prägnante Botschaft angebracht ist oder ob Informationen besser auf eine indirekte, subtile Weise vermittelt werden sollten.

  1. Konsistenz und Transparenz

Bei allen kulturbedingten Unterschieden gibt es in der Krisenkommunikation einen universell gültigen Grundsatz: Die Bedeutung einer konsistenten und transparenten Kommunikation ist stets und überall von großer Wichtigkeit. Konsistenz bedeutet, dass die Botschaft mit den Markenwerten, der Vision und Mission sowie mit den bisherigen und zukünftigen Handlungen des Kommunikators übereinstimmt. Transparenz bedeutet, dass eine Botschaft als ehrlich, genau und vollständig wahrgenommen wird. Sie sollte transportieren, dass der Absender Fehler anerkennt, Verantwortung übernimmt und Fortschritte kommuniziert. Eine klare und konsistente Botschaft, die über alle Kanäle hinweg einheitlich vermittelt wird, stärkt die Glaubwürdigkeit und Authentizität eines Unternehmens. Sie trägt dazu bei, die eigene Reputation zu bewahren und Verwirrung, Widersprüche und Kritik zu vermeiden.

Fazit: Krisenkommunikation erfordert Kultursensibilität

In der Krisenkommunikation gibt es kein Standardrepertoire, das gilt insbesondere im interkulturellen Kontext. Sie erfordert vielmehr eine sorgfältige Planung, Recherche und Anpassung an unterschiedliche kulturelle Zusammenhänge. In Krisenzeiten ist es besonders wichtig, Botschaften klar und konsistent zu übermitteln, unter Berücksichtigung kultureller Diversität. Gemäß unseren Erfahrungen sind international agierende Unternehmen, die diese Faktoren in ihrer Krisenkommunikation berücksichtigen, erfolgreicher darin, das Vertrauen ihrer Stakeholder zu bewahren und die Unternehmensreputation zu schützen.

  • Stephan Ester

    Stephan Ester arbeitet als Associate Director im Corporate-Communications-Team am Frankfurter Standort von FleishmanHillard. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Technologie und Cyber-Security sowie Finanzdienstleistungen. Stephan verfügt über umfassende Erfahrung in der B2B- und B2C-Kommunikation für deutsche und internationale Kunden. In...

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