Raus aus den Kinderschuhen? Die Professionalisierung von Influencern in der Modebranche

Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass Influencer (damals noch „Fashion-Blogger“ genannt) einmal zu den wichtigsten Akteuren in der Modekommunikation gehören könnten. Heute gibt es eine Vielzahl an Influencern, die von keinem Fashionevent mehr wegzudenken sind, und die einflussreichsten sind gefeierte Testimonials für Marken. Wo liegen heute – in einem unübersichtlichen, jungen Markt – die Chancen für die Modebranche für Image und Abverkauf? Vor welchen Herausforderungen stehen Marken, wenn sie mit Influencern kooperieren möchten?

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Vor 10 Jahren war die Modewelt noch in Ordnung: Die Presseabteilungen der Modemarken und -händler kannten die wichtigen Redakteure persönlich, eine Pressemitteilung mit Bildmaterial zur kommenden Kollektion garantierte Berichterstattung in relevanten Medien. Bis zu dem Punkt, als sich einige modeverrückte junge Menschen einmischten. Oft noch aus dem Jugendzimmer heraus fingen sie an, Entwicklungen in der Mode aus ihrer ganz persönlichen Sicht zu kommentieren, und begannen, sich auf die Berliner Fashion Week zu „schleichen“. Unternehmen und Agenturen wussten zunächst nicht, wie man mit diesen jungen Wilden umgehen soll: Sollte man sie in den Presseverteiler aufnehmen? Muss man sie überhaupt ernst nehmen? Warum machen die das eigentlich?

Heute sind Influencer aus der Modebranche nicht mehr wegzudenken. Die Top-Influencer haben es geschafft. Sie agieren wie selbstverständlich als Testimonials großer Modekampagnen, sie sitzen in der Front-Row neben internationalen Moderedakteuren und sind auch selbst auf dem Laufsteg zu sehen. Gefühlt kommt kein Label, Händler oder Fashion-Magazin um die Meinungsmacher herum. Unternehmen in der Modebranche haben durch Influencer die Chance, ihr Image zu ändern, für Aufmerksamkeit und Abverkauf zu sorgen. Doch der Umgang mit der Spezies Influencer ist vielen Akteuren immer noch fremd. Worauf es aus unserer Sicht besonders ankommt, wenn man Influencer erfolgreich einbinden will, haben wir hier zusammengefasst:

Die Challenges

1. Unübersichtlicher Markt

Es gibt keine zuverlässigen Angaben, wie viele Influencer es in Deutschland gibt. Alleine auf der Berliner Fashion Week sind auf Blogger-Events über 500 Influencer registriert – und das sind nur die sehr aktiven Influencer im Bereich Fashion. Unzählige Influencer-Managements und -Vermarkter sowie zahlreiche Online-Plattformen zur Influencer-Identifikation und Reichweitenmessung versprechen Heilung. Doch nicht alle sind gleichermaßen geeignet. Unternehmen sollten genau hinschauen, welche Angebote für ihre jeweiligen Bedürfnisse geeignet sind.

2. Fake Follower

Viele Marketing-Abteilungen in Unternehmen machen die Auswahl von Influencern (fälschlicherweise!) nur von der Anzahl der Follower auf Instagram abhängig. Diese Vorgehensweise hat einen immensen Druck auf die Influencer ausgeübt und leider einige dazu bewogen, sich Follower „zu kaufen“. Heute existieren auf dem Markt gute Tools, die zeigen, welche Influencer ihre Reichweite mit unlauteren Methoden manipuliert haben. Erfahrene Berater können auch anhand der Kommentare unter den Instagram-Postings erkennen, ob es sich um gekaufte Interaktion oder organisch generierte handelt.

3. Rechtliche Fallstricke

Die Gesetze hinken rasanten Entwicklungen in der digitalen Kommunikation immer etwas hinterher. Mittlerweile haben sich aber zwei wichtige Aspekte weitgehend etabliert:

Kennzeichnungspflicht: Influencer sind (wie auch alle anderen Werbetreibenden) dazu verpflichtet, werbliche Beiträge zu kennzeichnen. Unseren Kunden empfehlen wir daher, den Influencern bei bezahlten Kooperationen eine Guideline an die Hand zu geben, wie die Beiträge richtig zu kennzeichnen sind. Denn nicht nur die Influencer können abgemahnt werden, sondern auch die Unternehmen selbst.

Verträge: Um Missverständnisse über die gegenseitigen Rechte und Pflichten auszuräumen, empfehlen wir bei bezahlten Kooperationen einen Kooperationsvertrag. Darin sollten der Leistungsumfang, die Dauer der Kooperation sowie der Umgang mit den Nutzungsrechten geklärt und ggf. auch weitere Aspekte wie Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Gewinnspielen geregelt werden.

4. Beliebigkeit von Content & Kampagnen

Produkt in die Kamera, eine „hübsche“ Kulisse, fertig ist das Instagram- oder Blog-Bild für ein neues Produkt. Nur leider wird der Content dadurch austauschbar und langweilig und fällt in der Masse der Postings auf den Social-Media-Kanälen nicht mehr auf. Häufig erkennt der Endverbraucher sogar nicht einmal mehr die Marke. Eine gut durchdachte Strategie und eine gute, zur Marke und zum Influencer passende Story sind für erfolgreiches Influencer Marketing essentiell, um im Content-Jungle nicht unterzugehen.

Diese Herausforderungen sollen jetzt aber nicht abschrecken, sondern Unternehmen und Marken sensibilisieren, Influencer Relations nicht „einfach nur nebenbei“ zu betreiben. Denn die Zusammenarbeit mit Influencern in der Kommunikation birgt auch besondere Möglichkeiten:

Die Chancen

1. Image & Reputation

Gerade Marken, die ihr Image neu ausrichten oder sich einer neuen Zielgruppe öffnen möchten, bietet die Zusammenarbeit mit Influencern große Chancen für eine zeitgemäße Ansprache von Endverbrauchern. Und es geht hierbei nicht nur um die ganz junge Zielgruppe: Die Anzahl der Ü30-, Ü40-, Ü50-Influencer („Über 30 Jahre …“) wächst stetig. Die Follower dieser Influencer stehen fest im Leben, sind interessiert an neuen Produkten und zählen zu einer kaufkräftigen Zielgruppe. Auch im Bereich Plus Size bewegt sich einiges. Diese Influencer haben eine sehr aktive Community und sind gerade in der Zusammenarbeit mit Unternehmen besonders offen und kreativ. Es müssen nicht immer die „großen“ Influencer mit einer Million Reichweite oder Namen wie Caro Daur sein, die Unternehmen zum Erfolg bringen. Auch vermeintliche Nischen bieten großes Potential.

2. Marketing & Sales

Wichtig ist hier, nicht nur alte Muster in der Zielgruppendenkweise über Bord zu werfen, sondern nach Interessengebieten zu gehen. Gerade Micro-Communities sind extrem aktiv und im stetigen Austausch mit „ihren“ Influencern aus einem Spezial-Thema (wie z.B. Plus Size, Silver Surfer etc.). Sales-Erfolg basiert nicht darauf, dass man eine große Anzahl von Personen erreicht, sondern mit einer durchdachten Strategie und Auswahl der Influencer die richtige Zielgruppe für sein Produkt erreicht. Spannend für den Sales-Bereich sind derzeit z.B. kleine Kollektionen, welche Influencer selbst mitdesignt haben.

Wie jede Disziplin in der Kommunikation bringt auch der noch junge Bereich der Influencer-Kommunikation viele Chancen für den Handel und für Marken mit sich. Wichtig ist hier eine wohlüberlegte Strategie, die sich in die Gesamtstrategie der Kommunikation einfügt und nicht für sich alleine steht, denn nach wie vor ist ein gesunder Marketingmix über alle Kanäle für den Erfolg essentiell. Darüber hinaus darf man auch die klassische Pressekommunikation mit wichtigen Journalisten nicht vergessen. Oftmals lassen sich hier Synergien erzielen: Content, der von Influencern produziert wurde, eignet sich auch gut für die eigenen Social-Media-Kanäle und auch die Presse ist an authentischem Bildmaterial von Influencern sehr interessiert.

Unternehmen, die noch nicht sicher sind, ob Influencer „das Richtige“ für sie ist, empfehlen wir ein behutsames Herantasten an diese Disziplin. Ein kleines Event mit einer kleinen Gruppe an Influencern kann ein guter erster Schritt sein, um diese Meinungsmacher persönlich kennenzulernen und sich ein Bild zu machen, ob und welche Influencer zum Unternehmen passen. Denn neben allen Analysen und Strategien ist vor allem eins wichtig: mit den Influencern direkt in den Austausch zu gehen.

Sie sind sich noch unsicher, ob sie diesen Schritt alleine wagen sollten? Sprechen Sie mit uns! Wir führen Sie gerne individuell heran und begleiten Sie auf Wunsch bei Ihren ersten Schritten. Interessierten empfehlen wir auch unseren Blog-Beitrag Mysterium Millennials? Wie Fashion-Marken die begehrten Millennials erreichen und begeistern können.

  • Judith Christina Pierau

    Judith Christina Pierau leitet das Brand Affairs Team von FleishmanHillard Deutschland. Das Team konzentriert sich auf die Reputation, den Aufbau und die Positionierung von Marken. Brand Affairs vereint Experten aus den Bereichen Kreation, Strategie, Social Media und Media Relations, um...

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