Götter in Weiß oder heißer Scheiß? – Drei Strategien für die Healthcare-Kommunikation im digitalen Zeitalter

von
Nadine Dusberger

Die Digitalisierung macht auch vor dem Thema Gesundheit keinen Halt. Neue, digital getriebene Behandlungsmethoden und Präventionsansätze sollten Krankheiten allmählich den Garaus gemacht haben. Doch davon sind wir weit entfernt: Über die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ist bereits übergewichtig – Tendenz steigend. Das Gesundheitssystem leidet seit langem unter einem stark steigenden Kostendruck. Das ernüchternde Fazit: Die physische und psychische Gesundheit bleibt eine der großen globalen Herausforderungen.

Autoren Marco Malavasi, Nadine Dusberger und Grit Arndt

Das gilt vor allem für die Gesundheitssysteme. Sie leiden unter steigenden Kosten. In Deutschland liegen diese bereits bei derzeit neun Prozent des Brutto-Inlandprodukts. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach neuen und innovativen Lösungen, die langfristig Mittel einsparen können, kurzfristig jedoch zusätzliche Investitionen erfordern. Um diese Herausforderung bewältigen zu können, ist ein Paradigmenwechsel nötig – auch und vor allem “in den Köpfen”. Das gilt für Patienten ebenso wie für Ärzte, Krankenkassen, Pharmaunternehmen und Gesundheitsbehörden. Wie dieser Paradigmenwechsel aussehen kann, illustrieren wir anhand von drei Thesen für eine bessere Gesundheitskommunikation:

1. Konzerne müssen lernen, digital zu denken

Wir nennen das, was sich im vergangenen Jahrhundert entwickelt hat, ein Gesundheitssystem. Richtiger wäre indes, von einem Krankheitssystem zu sprechen, denn es ist nahezu ausnahmslos krankheitszentriert. Trotz vieler gut gemeinter Versuche der Krankenkassen im Bereich der Präventionsarbeit bleibt es die Aufgabe jedes einzelnen, einen gesunden Lebensstil zu entwickeln und zu erhalten.

Hier tut sich ein Graben auf zwischen Patienten und den klassischen Protagonisten des Gesundheitssystems – gewissermaßen eine fatale Differenz der Sichtweisen: Die Menschen warten nicht mehr auf den nächsten Arzttermin oder die nächste Broschüre der Krankenkasse, wenn es um ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit geht. Sie nutzen alle Medien und Kanäle, die ihnen zur Verfügung stehen – insbesondere natürlich das Internet.

Ärzte, Krankenkassen und Pharmakonzerne denken hingegen immer noch sehr “analog”: Die Kommunikation erfolgt top-down und in fester Überzeugung, im Besitz des Kompetenz- und Informationsmonopols zu sein. Tatsächlich aber suchen sich Menschen die für sie relevanten Informationen von den unterschiedlichsten Informationsquellen zusammen und setzen es zu ihrem ganz individuellen Bild über Gesundheit zusammen. Dies erfordert ein echtes Umdenken von Unternehmen und Institutionen, um Zielgruppen sowohl mit verständlichen, klaren Botschaften zu erreichen, als auch die Kanäle zu nutzen, die wirklich relevant sind.

In Ansätzen ist ein solches Umdenken häufig schon sichtbar, aber bisher können Unternehmen mit dem Tempo der technologischen Entwicklungen strukturell nicht mithalten. Und die schlechte Nachricht ist: eine einfache, schnell adaptierbare Lösung gibt es auch nicht. Digitale Strategien können nicht als ‚zusätzliches Handlungsfeld‘ bearbeitet werden. Vielmehr setzt das Ziel Digitalisierung die Bereitschaft voraus, die Unternehmensstruktur und -ausrichtung zu hinterfragen und gegebenenfalls grundlegend zu transformieren. Digitales muss von Beginn an in die Unternehmensstrategiemit implementiert werden.

2. Die Götter des Gesundheitssystems werden zum Partner auf Augenhöhe

Götter in Weiß: So wurden Ärzte lange Zeit wahrgenommen – unangreifbare Koryphäen und Institutionen in Hinblick auf ihr Wissen und Können rund um Gesundheit. Doch auch dieses Bild erodiert. Die Informationsflut des Internets mit unzähligen Websites, Plattformen und Foren bietet viele Alternativen. Zwar scheint die ärztliche Autorität unangetastet, die digitale Konkurrenz zeigt dennoch Wirkung. Wenn nicht die Ärzte, so haben doch die Unternehmen im Gesundheitssektor ihr früheres Informationsmonopol weitgehend verloren.

Für Patienten und Kunden bedeutet das nicht zwangsläufig mehr und bessere Qualität: Die schiere Masse an teilweise widersprüchlichen Quellen und Informationen im Internet erhöht auch die Verunsicherung. Zudem bilden sich vor diesem Hintergrund (zu) schnell feststehende Meinungen – die, wie so oft, leider mit tatsächlichem Wissen und Erfahrung verwechselt werden. Dennoch sind Unternehmen, Ärzte und Institutionen mit der veränderten Zielgruppenrealität und -mentalität konfrontiert – und müssen lernen, damit umzugehen.

Dieser Verlust an Informationshoheit ist für die Betroffenen auf den ersten Blick bisweilen beängstigend. Doch er birgt auch eine Chance: Wer den Mut aufbringt, alte Rollenbilder über Bord zu werfen und sich vom weißgewandeten Gott zum Partner der Patienten zu wandeln, dem gehört die Zukunft.

Das bedeutet nichts Geringeres als einen massiven Transfer von Kompetenzzuschreibungen und Positionierungen bei den beteiligten Playern: Erst wenn Unternehmen, Behördenvertreter und vor allem Mediziner den Informationsbedarf und Informationsstand ihrer Klientel ernst nehmen, kann eine neue Qualität der Beziehungen entstehen. Neue Möglichkeiten der Beratung und Führung sind möglich. Dazu gehört auch, dass den emotionalen Bedürfnissen und dem Wunsch nach Orientierung für die Patienten Rechnung getragen wird.

3. Wenn es um Gesundheit geht: Get your facts straight!

Der Begriff Content Marketing nimmt zunehmend eine zentrale Rolle im Dialog mit Verbrauchern oder Patienten im HealthCare-Sektor ein. Werbe- und Mediaagenturen ebenso wie Unternehmen produzieren Inhalte, die sich insbesondere an Online-Konsumenten richten und diese überzeugen sollen. Doch hat die Sache leider einen Haken: Content ist eben auch im Internet nicht gleich Content. Gerade im Gesundheitsbereich ist es wichtig glaubwürdig und faktenbasiert zu agieren, um die Zielgruppen nachhaltig an sich zu binden. Inhalte, die den Anschein erwecken hauptsächlich werblichen Zwecken zu dienen, verstärken die schon bestehende Verwirrung der Zielgruppen.

Darunter leiden sowohl Adressat als auch die Reputation des Absenders. Da es um die Gesundheit von Menschen geht, ist dieser Effekt umso fataler.

Faktentreue ist wichtig für den kompletten Bereich Gesundheit: insbesondere auch für Fitness-, Ernährungs- oder Wellness-Brands. Alles muss auf klaren und vor allem für den Nutzer nachvollziehbaren Fakten beruhen. Es sollte hier niemand den Fehler machen, die Kunden bzw. Patienten zu unterschätzen: Sie sind in der Regel sehr gut informiert und wissen, was sie wollen. Sie merken schnell, ob eine Marke glaubwürdig ist und einen positiven Beitrag für die Gesundheit leisten will. Wer einmal als unglaubwürdig eingestuft wurde, kann davon ausgehen, dass sich das in den sozialen Netzen wie ein Lauffeuer verbreitet. Und das Internet vergisst nicht: eine einmal zerstörte Reputation wieder aufzubauen ist oft langwierig und auch kostspielig.

Fazit

Kommunikation in den Märkten rund um Gesundheit, Fitness und Wellness muss heute vollkommen neuen Anforderungen genügen, als noch vor wenigen Jahren. Die digitale Informationsflut über alle Ländergrenzen hinweg führt zum einen zu aufgeklärteren, aber auch teils sehr verwirrten Verbrauchern, die vor Allem eines verlangen: Orientierung anhand verständlichen, glaubwürdigen und für sie nützlichen Inhalten. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen in dieser Branche raus aus ihrem Elfenbeinturm und zu echten Partnern ihrer Kunden werden: Nur wer bereit ist digitale Transformation auch als Transformation des gesamten Unternehmens zu verstehen, wird es langfristig schaffen, die Agilität zu entwickeln und zu leben, die nötig ist, um mit den rasanten Veränderungen des Marktes mitzuhalten.