Warum in Healthcare-Kampagnen mehr Kreativität steckt als in anderen Bereichen

Kommunikationskampagnen im Gesundheitsbereich haben den Ruf, eher konservativ zu sein. Hier wirkt scheinbar nur „klassische PR“. Kreative, moderne Formate funktionieren nicht so gut, oder doch?

Im Interview mit Laura Klemm erklärt Nadine Dusberger, Head of Healthcare, wie man in der Gesundheitskommunikation erfolgreiche und kreative Kampagnen umsetzt und warum Kampagnen in Healthcare aus ihrer Sicht viel mehr Kreativität brauchen als Kampagnen anderer Branchen. Dabei teilt sie Insights aus ihrem Alltag und ihre Key Learnings bei der Kampagnen-Entwicklung.

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Als Außenstehender hat man den Eindruck, dass sich die Healthcare-Kommunikation deutlich von anderen Bereichen unterscheidet. Worauf müsst ihr bei der Kampagnenplanung achten?

Nadine Dusberger: Die Healthcare-Kommunikation unterscheidet sich aus meiner Sicht nur insofern von anderen Bereichen, als wir uns an sehr viele Regularien, gesetzliche Vorgaben und Compliance-Richtlinien halten müssen und häufig mehrere Zielgruppen mit unterschiedlichem Informationsverhalten zeitgleich im Blick behalten bzw. aktivieren müssen.

Den regulatorischen Rahmen geben zum Beispiel das Heilmittelwerbegesetz (HWG) oder die Kodizes des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. (FSA) vor. Dem Verein gehören über 50 (forschende) Pharmazeutische Unternehmen an, die sich auf verschiedene Verhaltensgrundregeln verständigt haben.

Der FSA überwacht auf diese Weise die Zusammenarbeit von Pharmaunternehmen und den Angehörigen der medizinischen Fachkreise wie Ärzten oder Apothekern und schafft Transparenz.

Der bedeutende Unterschied ist also, dass man sich als Berater in der Healthcare-Kommunikation unbedingt mit den geltenden Regularien auskennen muss – sonst wird die Kampagnenplanung schwierig. Allerdings haben auch andere Bereiche ihre Vorgaben, daher klingt es dramatischer, als es eigentlich ist.

Kann man bei der Kampagnen-Entwicklung überhaupt kreativ sein, wenn man sich an zahlreiche Vorgaben halten muss?

Nadine Dusberger: Auf jeden Fall! Wir müssen nur auf eine andere Art kreativ sein. Denkt man jetzt zum Beispiel an Consumer Brands, würden viele behaupten, dass man dort viel kreativer sein und sich mehr „austoben“ kann.

Ich finde jedoch, dass wir sogar noch viel kreativer denken müssen als andere Branchen, gerade weil wir uns bei der Entwicklung von Konzepten und Kampagnen an einen regulatorischen Rahmen halten müssen.

„Out-of-the-box“ heißt bei uns, „within-the-regulatory-box“ „out-of-the-box“ zu denken. Das erfordert große Kreativität und ich glaube, das gelingt uns im Beratungsalltag sehr gut.

Nehmen wir mal das Beispiel einer meiner Lieblingskampagnen: Für die Einführung eines HIV-Medikaments durften wir das Ende eines der ikonischsten Filme der 90er umschreiben: Philadelphia. Der Film, in dem Tom Hanks einen homosexuellen Anwalt spielt, der sich mit HIV ansteckt, dadurch sozial ausgegrenzt wird und zuletzt an AIDS stirbt.

Wir haben einen Patienten gefunden, bei dem im selben Jahr HIV diagnostiziert wurde, in dem der Film in die Kinos kam. Er hat sich bereit erklärt, seine Geschichte mit uns zu teilen und in dem Kurzfilm mitzuspielen.

Darin erzählt er, dass er kurz nach seiner Diagnose mehr als 1.000 Tabletten im Monat einnehmen musste, und zwar zu ganz bestimmten Uhrzeiten. Der Wecker war sein ständiger Begleiter – egal, wo er war.

Mittlerweile hat sich die HIV-Therapie maßgeblich weiterentwickelt. Heute muss der Patient nur noch eine Tablette am Tag nehmen, um die Krankheit im Griff zu behalten.

Damit lebt er das, was wir alle als ganz normales Leben empfinden. So ist HIV kein Todesurteil mehr, sondern eine chronische Erkrankung, mit der er alt werden und sein Leben genießen kann.

Wir haben also mit der Geschichte von Philadelphia angefangen und sie mit der wahren Geschichte unseres Patienten und seinem langjähren Arzt enden lassen.

Mit dem Effekt, dass bei der Premiere des Films alle im Saal vor Rührung geweint haben. Solche Kampagnen würden viele wahrscheinlich nicht im Healthcare-Bereich vermuten. Aber ich finde, das verdeutlicht ganz gut, was alles möglich ist.

Welche Kampagne war dein Highlight?

Nadine Dusberger: Diese Frage lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren in der Gesundheitskommunikation und in dieser Zeit gab es unendlich viele Herzensprojekte und Highlights.

Besondere Highlights erlebe ich immer dann, wenn durch unsere Arbeit Leben verbessert oder verlängert werden. Dabei muss ich an Krankheiten denken, die mit viel Scham behaftet sind und wo es durch unsere Arbeit gelungen ist, dass sich Menschen online austauschen, Gleichgesinnte finden und viel offener zu ihrer Erkrankung stehen können.

Es ist aber genauso schön, wenn es uns gelingt, Unternehmen unserer Healthcare-Branche zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen und dafür zu sorgen, dass Menschen verstehen, wie viel Gutes in dieser Branche steckt. Nehmen wir einfach einmal die aktuelle Corona-Situation:

Dabei helfen zu dürfen, über das Thema COVID-19-Impfungen aufzuklären und zu erklären, was einen wirksamen Impfstoff ausmacht, ist eine Aufgabe, die für mich ein ganz besonderes Highlight ist. Gleichzeitig hoffe ich aber, dass ich so eine Kampagne nur einmal in meinem Leben begleiten darf – denn eine zweite Pandemie vergleichbaren Ausmaßes wollen wir sicher nie wieder erleben.

Was war bisher deine größte Herausforderung?

Nadine Dusberger: Die größte Herausforderung liegt für mich darin, mich in kürzester Zeit in die unterschiedlichsten Themen und Zielgruppen eindenken und einarbeiten zu können. Das macht aber auch gleichzeitig die Faszination meines Berufs aus.

Denn wo darf man sich sonst schon innerhalb eines Tages in Babys, Kleinkinder, Teenager, junge Erwachsene oder Senioren hineinversetzen? Oder thematisch von COVID-19 zu ästhetischer Chirurgie, Epilepsie oder Parkinson springen? Und das ist nur ein Ausschnitt der Zielgruppen und Themen, die meinen Tag prägen.

Was sind deine Key Learnings bei der Healthcare PR-Kampagnen-Entwicklung?

Nadine: Hier unterscheiden wir uns nicht von anderen Branchen, aber meiner Meinung nach braucht es vier Elemente für hervorragende Healthcare-Kampagnen:

  • die richtigen Insights, denn ohne Insight ist alles nichts
  • eine ausgezeichnete Strategie, denn ohne Strategie wirkt auch die kreativste Idee nicht
  • kreative Umsetzungen, die Kopf und Herz der Zielgruppe erreichen und sie bei einer Verhaltensänderung unterstützen
  • begleitende Evaluation, um Strategie und Umsetzung anpassen zu können, wenn sich Rahmenbedingungen ändern.

 

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