Vom „Eau de Holiday“ bis zu den „Sunrise Chasers“: COVID-19 setzte 2020 viel Kreativität frei

von
Daniel Silberhorn

PR und Covid-19

Welche Wirkung hat COVID-19 auf PR-Kampagnen weltweit? Das Signal der Golden World Awards 2021 ist deutlich: PR is back – und war trotz Pandemie im vergangenen Jahr auch nie wirklich weg. Im Gegenteil. Nimmt man die Anzahl der Bewerbungen um die jährlichen Awards der International Public Relations Association (IPRA) als Gradmesser, war Corona sogar ein Motor herausragender PR-Arbeit und Kreativität bei PR-Kampagnen weltweit.

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2021 gingen so viele Bewerbungen ein wie seit fünf Jahren nicht. Ganz vorne dabei: die Themen Corporate Responsibility und, wie man im Remote-Jahr 2020 erwarten konnte, Digital Creativity sowie Interne Kommunikation.

Dabei musste allerdings manches um- und einiges völlig neu gedacht werden. Geht man die Bewerbungen durch, zeigen sich vier Strategien im Umgang mit der Pandemie: Übersetzung in die Online-Welt, Änderung des Konzeptes, Reaktion auf ein pandemiebedingtes Problem oder Adressierung eines durch die Pandemie entstandenen gesellschaftlichen Themas.

1) Cyberize: Übersetzung in die Online-Welt

So wie viele Bereiche unseres Alltags- und Arbeitslebens im vergangenen Jahr plötzlich auf digitale Kanäle ausweichen mussten, haben auch zahlreiche Unternehmen ihre Kampagnen in die Online-Welt übersetzt. Die große Zahl an Einreichungen in der Kategorie „Digital Creativity“ zeigt, dass sich die PR-Verantwortlichen nicht stoppen ließen und funktionierende digitale Wege gefunden haben.

So hat etwa Mercedes Benz Russland im Oktober 2020 seine legendäre Fashion Week kurzerhand ins Internet verlegt. Und machte aus der Not eine Tugend: Zum ersten Mal brachte der Autohersteller die Shows von 74 Designern in einem gemeinsamen Event zusammen und verband damit Standorte in sechs Ländern weltweit. Als weiteres Novum konnten Fans in einer TikTok Reality Show hinter die Kulissen blicken und die Designer kennenlernen. Über soziale Netzwerke und Online-Präsenzen internationaler Medien erreichte das fünftägige Event mehr als 10 Millionen Menschen.

DHL Kampagne

Quelle: https://inmotion.dhl/de/beethoven/

DHL schickte anlässlich des Beethoven-Jahres 2020 eine interaktive Ausstellung zu dem großen Komponisten auf Weltreise. „BTHVN on Tour” startete Ende 2019 aus Leipzig nach Los Angeles, Cincinnati, New York und Boston und dann zurück nach Europa. Doch nach London im Februar 2020 war damit Schluss. Während wertvolle Ausstellungsstücke wie Beethovens Geige und Hörrohr im Lager blieben, schaltete DHL komplett auf online und machte die digitale Ausstellung auf https://inmotion.dhl/de/beethoven/ zum Zentrum der Kampagne. Als Teil davon konnten Besucher eine Aufführung der Neunten Symphonie des berühmten Leipziger Gewandhausorchesters live verfolgen. Rund eine halbe Million Menschen hat die digitale Ausstellung bislang angezogen.

Maori Language Moment

Quelle: Māori Language Moment 2020 – YouTube

In Neuseeland kreierte die Maori Language Commission mit dem Maori Language Moment den größten Event für die Rettung der jahrzehntelang unterdrückten Sprache der Ureinwohner. Eine Million Menschen feierten am 20. September 2020 genau den Moment, als 1972 eine Petition zur Anerkennung der Sprache an das Parlament übergeben wurde. Über die Community-Engagement-Seite Te Rangaihi Reo Māori | Māori Language Movement (reomaori.co.nz) meldeten sich die Teilnehmenden an, um online zu teilen, wie sie den Maori Language Moment feierten: mit Gesang, Spielen, Performances und Lesungen. Dank einer digitalen Kampagne erreichten die Organisatoren 2020 sogar deutlich mehr Menschen als jemals zuvor während der jährlichen Maori Language Week.

2) Mutation: Änderung des Konzeptes

Viele Kampagnen lassen und ließen sich 2020 nicht einfach in die Online-Welt übertragen. Auch hier fanden jedoch viele Campaigner neue Wege, um mit der Pandemie-Situation umzugehen und ihre Zielgruppen trotz COVID-Einschränkungen auf effektive Weise zu erreichen. In den Bewerbungen für die IPRA Golden World Awards 2021 zeigt sich: Dafür wurden vielerorts Konzepte kreativ verändert.

PLDT Enterprise beispielsweise, ein philippinischer Anbieter digitaler Services, ehrt seit 2009 zwei Mal im Jahr lokale Unternehmer für besonderen Erfolg mit dem Ziel, andere zu inspirieren. Während normalerweise hunderte von Top-Führungskräften die „MVP Bossings Awards Night“ feiern, musste 2020 ein geändertes Konzept her. Die Awards wurden daher in eine Video-Kampagnen-Serie umgewandelt. Award-Anwärter erzählten dafür ihre persönliche Geschichte mit dem Fokus darauf, wie sie schwierige Situationen überwanden. Mehr als 1,6 Millionen Mal wurden die Videos gesehen, die PR-Kampagne erzielte eine Reichweite von 70 Millionen über alle Kanäle hinweg.

In Japan konnte der Mobilfunkanbieter AU seine Werbefilme der Santaro-Serie im Jahr 2020 wegen Infektionsgefahr nicht wie gewohnt mit Schauspielern auf Filmsets drehen. Erstmals setzte AU daher auf einen Animationsfilm. Um die in ihren Wohnungen isolierten Menschen in einer kreativen Tätigkeit, die den mentalen Stress der Pandemie lindern helfen sollte, miteinander zu verbinden, rief AU parallel dazu auf, in Schwarzweiß gehaltene Szenen aus diesem Film auszumalen. Aus rund 600 Bildern der Fans entstand wiederum ein eigener Werbeclip. Besonders diese Idee bekam viel Applaus und die Aufmerksamkeit der japanischen TV-Sender sowie mehr als 150 Online-Berichte.

3) Auslöser: Reaktion auf ein COVID19-Problem

Einige der diesjährigen Bewerbungen für die Golden World Awards adressierten Kommunikationsaufgaben, die explizit durch die Corona-bedingten Herausforderungen erst entstanden waren. Beispielsweise spielte die interne Kommunikation im vergangenen Jahr eine wichtige Rolle. Unter den Branchen sah sich rund um den Globus besonders der Reisesektor in einer schwierigen Lage – oft verbunden mit der existenziellen Frage: Wie können wir relevant bleiben?

Singapur war im vergangenen Jahr eine der Destinationen, die sich genau diese Frage stellte. Der Tourismus (wichtiger Markt: China) kam zum Erliegen, reguläre Promotions machten keinen Sinn mehr. Eine Lösung wurde in Kooperation mit der populären chinesischen Live Action Role Play (LARP) App Woshimi gefunden. Die Grundidee: auf den Pandemie-bedingten Trend der „Cloud Tour“ aufzuspringen, der eine virtuelle Besichtigung von Orten zulässt – wie etwa zu Beginn der Pandemie 2020 zahlreiche große Museen. Via Gamification sollte die wachsende Gemeinde der jungen LARPer erreicht und für Singapur interessiert werden. Eine spezielle Woshimi-Edition entstand, die alle Spieler ein Abenteuer an Schauplätzen des Inselstaates erleben ließ. Der Titel: ein Indiana Jones-kompatibles „The Lost Treasure“. Durch Kooperationen mit Influencern erzielte das Singapor Tourism Board eine Reichweite von 6,13 Millionen in Social Media, 19.000 Menschen spielten „The Lost Treasure“.

Eau de holiday

Quelle: Eau De Holiday

Eine ebenfalls sehr kreative Grundidee hatte hotels.com in Korea. Die Buchungsplattform befürchtete, in der Pandemie in Vergessenheit zu geraten, und kreierte daher „Eau De Holiday“ – den exklusiven Duft des Urlaubes. Der Gedanke: Düfte haben die Macht, uns emotional und gedanklich überall hin zu transportieren und damit auch von fernen Ländern träumen zu lassen, während wir zuhause sitzen.  Heraus kamen vier Düfte, zum Beispiel „the mythical fragrance of Gyeongju’s ancient lands“ oder „vintage bookstores snuggled by the alleys of hidden Seoul”. Eine parodistische Werbung platzierte das “Eau De Holiday” in der Öffentlichkeit und spielte dabei alle Klischees  bekannter Parfüm-Marken konsequent durch: viel Style und Ästhetik, wenig tatsächliche Inhalte. Komplett mit Reviews und begleitender Social Media Kampagne. Die Belohnung: eine Reichweite von 60 Millionen, mehr als 60 Berichte in koreanischen Zeitungen, nahezu doppelt so viele Instagram-Fans – und reale Buchungen, sobald die Restriktionen gelockert wurden.

4) Helping Hand: Adressierung eines gesellschaftlichen Themas

Besonders der Bereich „Corporate Responsibility“ bot im vergangenen Jahr Möglichkeiten, auf kreative Weise der Gesellschaft in dieser schwierigen Zeit zu helfen (zum Zusammenhang zwischen COVID-19 und CSR/Corporate Responsibility, hier ein Beitrag auf csrnews.net). Tatsächlich richteten einige Unternehmen ihre Aktivitäten und Kampagnen an Bedürfnissen der Gesellschaft aus. Hier ist COID-19 im besonderen Maße kein Hindernis, sondern aus der gesellschaftlichen Not heraus geborene Inspiration für vorbildliche PR-Arbeit gewesen, die in dieser Form sonst nicht realisiert worden wäre.

In der Ukraine adressierte die Rinat Akhmetov Foundation gemeinsam mit dem Ministerium für Digitale Transformation eine Kampagne, die Kinder zu sportlichen Aktivitäten anregte. 90% der Schulkinder sind weltweit von der Pandemie betroffen und verbringen zuhause viel Zeit an technischen Geräten. Mit Entertainern und Sportlern, allen voran Fußballern des international erfolgreichen Klubs FC Shaktar, entwickelte die NGO die Online-Serie „Digital Physical Education“. Mehr als fünf Millionen Mal wurden die Folgen gesehen. 92,5% der Schulkinder in der Ukraine begannen mit sportlichen Aktivitäten – inspiriert von ihren Vorbildern, erreicht über digitale Kanäle.

Digital Physical Education

Quelle: Digital Physical Education

Ebenfalls hatte die Swedbank in Litauen mit ihrem CSR-Projekt zum Anlass ihres 200-jährigen Jubiläums die Situation der Kinder im Blick. Unterstützt vom Bildungsministerium stellte das Unternehmen mit „Mokonomika“ die größte „Remote Online Lesson“ auf die Beine. Und klinkte sie durch die Teilnahme an der UNESCO-Initiative „The World’s Largest Lesson“ in die internationale Nachhaltigkeitsagenda ein. Mit 200 Einheiten für verschiedene Altersklassen, gehalten von 27 Experten aus Wirtschaft, Kunst, und Gesellschaft. Und mit einer Technik erstellt, die das Problem der Kontaktbeschränkungen löste: Eine spezielle Software ließ die Protagonisten scheinbar eine Bühne teilen, obwohl an unterschiedlichen Orten gefilmt wurde. 110.000 Lehrer:innen und Schüler:innen brachte das Projekt zusammen, 225.000 Mal wurden die Lektionen gesehen. Eine Zusammenarbeit mit dem Online-Portal Lithuania Delfi sorgte für Reichweite und 30 Nennungen in den nationalen Medien.

Ein grundlegendes gesellschaftliches Problem nahm der chinesische Messenger WeChat in den Blick. Er gehört mit der Kampagne „The Sunrise Chasers“ zu den Gewinnern der diesjährigen Golden World Awards. Je länger sich die Pandemie hinzog, desto bedrückter wurde vielerorts die Stimmung. Was die Menschen brauchten, war Hoffnung. Die Lösung: WeChat würde in seinen Channels zu Neujahr, einem weltweiten symbolischen Moment für Neuanfang und Hoffnung, in einem globalen 17-stündigen Livestream Sonnenaufgänge in 31 Städten zeigen. Eine einfache, klare und dabei universelle Botschaft ging um die Welt. Daran schloss sich die Aufforderung an, einen persönlichen Wunsch für das neue Jahr zu teilen – und es wurden positive Geschichten aus dem Lockdown erzählt, die unbesungene Helden der Pandemie ins Zentrum stellten. Dazu gehörten etwa der Besitzer eines Caféhauses, der Kaffee verschenkte, oder Nachbarn, die einander halfen. „The Sunrise Chasers“ war ein Volltreffer: Mehr als 32 internationale Medien griffen die Kampagne auf. Über 1,5 Millionen Zuschauer:innen schöpften mit dem Livestream neue Hoffnung.

Diese Beispiele zeigen: COVID-19 hat auch die Welt der PR-Kampagnen mit Donnerhall beeinflusst. Die Zwänge, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nöte brachten dabei aber auch die stärksten Seiten der Branche ans Licht. Kreativ wurden neue Wege und neue Formate entwickelt. Einige Unternehmen schafften es, auch in dieser herausfordernden Situation genau hinzuhören, was die Stakeholder bewegt. Und sie nutzten ihre Möglichkeiten für einen positiven Einfluss. Die besten Kampagnen stellen die Menschen in ihren Bedürfnissen und privaten Perspektiven in den Mittelpunkt und setzten digitale Technologie ein, um echte Verbindungen zu schaffen und berührende Geschichten zu erzählen. Im Angesicht einer globalen Herausforderung bringt PR hier die Welt zusammen.

 

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