Ausblick 2022: Vier Trends, was für Unternehmen in der Gesellschaft wichtig wird

Uiguren

Aktivisten demonstrieren gegen die Unterdrückung von Uiguren in China.

Die gesellschaftlichen und politischen Ansprüche an Unternehmen nehmen auch 2022 weiter zu. Gute Produkte, ordentliche Renditen und gelegentliche CSR-Kampagnen reichen nicht mehr aus, um die License to Operate zu erhalten. Bereiten Sie sich schon jetzt auf die wichtigsten Reputationsthemen des nächsten Jahres vor.

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Das Weltwirtschaftsforum, das vom 17. bis 21. Januar in Davos geplant war, wurde angesichts der sich rasend ausbreitenden Omikron-Variante auf den Sommer verschoben. Dennoch steht fest, dass Unternehmenslenker/-innen schon vorher über Stakeholder Capitalism nachdenken müssen, um die Reputation ihrer Organisationen zu schützen und ihre License to Operate zu erhalten.

Und sie müssen handeln.

Denn globale Ereignisse wie die olympischen Winterspiele in Peking (4. bis 20. Februar), der G7 Gipfel in Elmau (26. bis 28. Juni), langfristige strategische Entscheidungen beim NATO-Gipfel in Madrid (29. bis 30. Juni), die UN-Generalversammlung in New York (13. bis 27. September), der G20-Gipfel auf Bali (30. und 31. Oktober), die UN-Klimakonferenz COP27 in Scharm El-Scheich (7. bis 18. November) und die Fußballweltmeisterschaft in Katar (21. November bis 18. Dezember) werden die mediale Aufmerksamkeit schonungslos auf die Verantwortung von Unternehmen zum Erreichen gesellschaftlicher Ziele lenken. Eine weitere Ausweitung und Radikalisierung der gesellschaftlichen Ansprüche an Unternehmen sind absehbar. Wer hier keine Strategie hat, wird reputativ im Regen stehen.

1. Lieferkettenmanagement etabliert sich als Reputationsfaktor

Katar

Mindestens 15.000 Menschen sind bei den Bauarbeiten für die Fußball-WM 2022 in Katar ums Leben gekommen.

Viele Verbände und Unternehmen wehren sich noch gegen Gesetze, die unternehmerische Verantwortung und Haftung auf die Lieferketten ausweiten. Doch die Olympischen Spiele in China, die Fußball-WM in Katar und das aggressive Verhalten Russlands in Osteuropa werden die Aufmerksamkeit verstärkt auf Fragen der Menschenrechte und werte bezogenes Wirtschaften im globalen Kontext richten. Die Verantwortung von Unternehmen entlang ihrer Lieferketten rückt in den Fokus. Die Missachtung von Menschenrechten, die Umweltverschmutzung und auch die Ausbeutung an bedeutenden globalen Produktionsstandorten erhöhen die Visibilität von sozialen und politischen Aspekten entlang von Lieferketten für das Reputationsmanagement.

Dabei fordern die chinesische Autokratie und auch die militärische Bedrohung aus Russland die liberale Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle des Westens heraus. Um die gesellschaftspolitische Grundlage unternehmerischer Wertschöpfung zu bewahren, werden Wertebekenntnisse von Unternehmen erwartet, die sich auch in ihrem Lieferkettenmanagement widerspiegeln müssen. Unternehmen müssen sich in Zukunft entscheiden, ob sie mit aggressiven Autokratien oder in Demokratien wirtschaften wollen.

2. Demokratische Verantwortung gewinnt an Bedeutung

Demonstration

Im Zuge der Pandemie haben Populismus und Verschwörungserzählungen starken Auftrieb erhalten und das demokratische System wird zunehmend in Frage gestellt.

Die politischen Herausforderungen liegen allerdings nicht nur in den weltweiten Lieferketten, sondern ebenso in Deutschland und der EU. Im Zuge der sich verschärfenden Coronaproteste werden Verschwörungserzählungen und Populismus auch 2022 viel öffentlichen Raum einnehmen. Die liberale Demokratie steht weiter unter Druck. Der gesellschaftliche Zusammenhalt und das Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse sind aber zentral, um Wohlstand zu generieren. Unternehmen müssen sich auch im Inland eindeutig zu jenen politischen Werten bekennen, die ihren unternehmerischen Erfolg ermöglichen.

Im Zuge der Pandemie haben Populismus und Verschwörungserzählungen starken Auftrieb erhalten und das demokratische System wird zunehmend in Frage gestellt.Darüber hinaus tragen sie auch Verantwortung für ihre Mitarbeiter. An kaum einem anderen Ort verbringen Menschen so viel Zeit wie an ihrem Arbeitsplatz. Hier kommen Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und Hintergründen zusammen. Von Unternehmen wird daher erwartet, dass sie eine diskriminierungsfreie Kultur schaffen, in der Mitarbeiter erleben können, was demokratisches Zusammenleben bedeutet.

3. Klimaschutz ist Hygienefaktor

Um die Ergebnisse von COP26 in Glasgow umzusetzen, steht Klimaschutz sowohl für die deutsche G7-Präsidentschaft als auch für den indonesischen G20-Vorsitz weit oben auf der Prioritätenliste. Beide Institutionen der Global Governance werden sich damit beschäftigen, die Beschlüsse von Glasgow umzusetzen, bevor im Herbst die Weltgemeinschaft bei der COP27 in Scharm El-Scheich zusammenkommt, um Bilanz zu ziehen. Schließlich wird auch die neue Bundesregierung das Thema Klimaschutz auf der Agenda halten.

Für Unternehmen wird Klimaschutz 2022 zum Hygienefaktor. Ohne Maßnahmen in diesem Handlungsfeld kommt es zu massiven Reputationsrisiken. Aber die Maßnahmen allein erhöhen die Reputation auch nicht. Das bedeutet, dass einerseits ein ambitioniertes und glaubwürdiges Programm zur Reduktion der eigenen negativen Klima-Effekte zwingend ist, um für Kunden und Geschäftspartner relevant zu bleiben. Andererseits können sich Unternehmen hier kaum von Wettbewerbern differenzieren. Klimaschutz und -anpassung müssen strategisch als Beitrag zur Sicherung und Steigerung der Wertschöpfung identifiziert werden.

Reine Ankündigungen werden in diesem Handlungsfeld ganz besonders kritisch betrachtet. Sie müssen belegt und es muss ausführlich zu ihnen berichtet werden. Andernfalls werden Informationslücken von externen Stellen geschlossen – und die Unternehmen verlieren ihre Deutungshoheit.

4. Das „S“ in ESG nicht vergessen

Wenn Klimaschutz und das „E“ in ESG inzwischen zentrale und kaum umstrittene Anforderung sind, wird gerade die soziale Frage – das „S“ in ESG – im nächsten Jahr an Bedeutung gewinnen. Mit steigender Inflation und soziale Verwerfungen durch die Corona-Pandemie drängen Verteilungsfragen verstärkt in den Diskurs. Dabei ist die Einkommensungleichheit in Deutschland höher als im EU-Durchschnitt – und steigt an.

Unternehmen werden zunehmend hinsichtlich ihres Beitrags zur allgemeinen Wohlstandssteigerung bewertet. Die Corona-Pandemie hat die Menschen für die vergleichsweise niedrigen Löhne sensibilisiert, mit denen essenzielle Tätigkeiten derzeit vergütet werden. Der Unmut über die Auszahlung von Dividenden in Unternehmen, die staatliche Unterstützung erhielten, aber auch über enorme Boni-Zahlungen unterstreichen die Verantwortung von Unternehmen für angemessene Löhne und eine faire Teilhabe aller Mitarbeiter an der Wertschöpfung.

Von Unternehmen wird erwartet, dass sie zum Wohlstand in ihrem Umfeld beitragen. Faktoren wie die Zulieferer-Auswahl und -Vergütung wie auch das Steuerzahlen gewinnen an Relevanz. Zudem sollen Unternehmen jedoch als Problemlöser auftreten – und beispielsweise durch Investitionen in Forschung und Entwicklung Innovationen mit gesellschaftlichem Mehrwert ermöglichen. Zunehmend wird an sie der Anspruch gestellt, durch ihre vielfältigen Ressourcen zur Lösung allgemeiner Probleme beizutragen.

Die Effekte und Ansprüche der eigenen Unternehmenstätigkeit kennen

Neben dem tatsächlichen gesellschaftlichen Effekt eines Unternehmens (Total Societal Impact) werden auch die externen Ansprüche zentral für die Reputation. Durch umfassende Berichtstätigkeiten und Kommunikation mit den Stakeholdern schaffen die Firmen eine Datengrundlage, auf der sie ihre strategischen Entscheidungen aufbauen können. Ohne diese Transparenz bewegen sie sich im Blindflug.

Die Notwendigkeit zu nachhaltigem Wirtschaften ist mittlerweile von Politik und Gesellschaft verinnerlicht. In der nächsten Phase des Nachhaltigkeitsdiskurses wird Transparenz zum entscheidenden Kriterium. Denn große Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam lösen. Unternehmens- und branchenübergreifendes Engagement erhöht die Glaubwürdigkeit. Kunden dabei zu helfen, ihre ESG-Bilanz zu verbessern, steigert den Gewinn. Unternehmen müssen 2022 zeigen, dass sie das verstanden haben – und welchen Beitrag sie zur Transformation leisten.

 

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  • Dr. Sebastian Schwark

    Dr. Sebastian Schwark ist Partner und Senior Vice President bei FleishmanHillard Germany. Er leitet das Corporate Reputation Team und ist ein Experte für professionelles Reputationsmanagement. Sebastian Schwark unterstützt Unternehmen und Führungskräfte dabei, gesellschaftliche Fragen und Anforderungen der Stakeholder erfolgreich zu...

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