Im Gerichtshof der Öffentlichkeit - Litigation PR wird zur Pflichtdisziplin der Unternehmenskommunikation
Es verändert sich etwas im Verhältnis zwischen Anwälten, Legal Departments und Unternehmenskommunikatoren. Prozesse und juristische Auseinandersetzungen bestimmen den Alltag von immer mehr Unternehmen – das ist nicht neu. Dass sie aber mit wachsendem Interesse und neugierigen Augen bei jedem juristischen Schritt von den Medien verfolgt werden – das fordert sehr wohl ein Umdenken in den Kommunikationsabteilungen. Juristische Auseinandersetzungen sind inzwischen allgegenwärtig in den Medien und sie nehmen massiven Einfluss auf die Reputation eines Unternehmens.
Die Kommunikationsdisziplin, die sich damit beschäftigt, heißt Litigation-PR. Und obwohl diese Disziplin vor allem in den USA auf eine lange Tradition zurück blickt, stellt ein koordiniertes Vorgehen zwischen Anwälten und Litigation-PR-Experten hierzulande noch eher die Ausnahme dar. Für immer mehr Kommunikationsprofis liegt die Frage allerdings auf der Hand: Wie kann man, insbesondere bei internationalen Rechtsstreitigkeiten möglichst effizient mit Kanzleien zusammenarbeiten und den Dialog mit den Medien auf eine neue Qualitätsebene heben?
Zu diesem Thema veranstaltete FleishmanHillard am vergangenen Donnerstag in Frankfurt einen Informations- und Gesprächsabend. Rund 20 Juristen und Kommunikationsexperten fanden sich trotz besten Biergartenwetters im Frankfurter Hotel Roomers ein. Moderiert von Armin Sieber, Director Public Affairs bei FleishmanHillard, fand dort eine rege Diskussion auf äußerst hohem Niveau statt. Den Auftakt machte ein Impulsvortrag von Alfred Autischer, Litigation-PR-Experte und Managing Partner des Wiener Partnerunternehmens Gaisberg Consulting, mit einer grundlegenden Einführung ins Thema. Autischer stellte zahlreiche aufschlussreiche Fallbeispiel vor und bereitete die Bühne für eine hochkarätige Gesprächsrunde, die das Thema Litigation von verschiedenen Seiten beleuchtete: Corinna Budras, Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung; Prof. Dr. Thomas Klindt, Partner der Kanzlei Noerr LLP und Alfred Autischer.
Der Wiener Litigation-Experte wies anhand einer Reihe konkreter Beispiele nach, wie sich das Interesse der Medien an Rechtsstreiten verändert hat. Zum einem ist da der wachsende Investigationsbedarf. Die Medien versuchen Fehlverhalten bei Unternehmen aufzudecken und anzuprangern – das Gericht ist dafür eine ideale Quelle und Projektionsfläche. Zum anderen stehen auch die Medien vor großen Herausforderungen: Wettbewerbsdruck und Arbeitsüberlastungen bei den Journalisten sind nur die offensichtlichsten Erscheinungen. Das alles macht eine Professionalisierung im Umgang mit juristischer Kommunikation unumgänglich. Die „andere Seite“ habe aufgerüstet, meinte Corinna Budras von der FAZ. Es zeige sich eine zunehmende Professionalisierung der Akteure sowohl bei den Juristen als auch bei den Unternehmenskommunikatoren. „Litigation-PR ist nicht neu. Wir Journalisten haben es heute aber mit mehr externen Beratern zu tun als früher. Es kommt mehr Expertise in den Markt, und das ist gut so“, erklärte die Journalistin.
Die Ursprünge von Litigation-PR liegen in den angelsächsischen Ländern, wo es auch eine lange Forschungstradition dazu gibt. In Deutschland spielte die Disziplin lange ein Schattendasein. Das hat sich zum Glück geändert. Nach einigen spektakulären Prozessen im letzten Jahrzehnt (u.a. Mannesmann, Kirch oder Zumwinkel) hat das Thema Litigation auch in Deutschland ständig an Bedeutung gewonnen. Ein wichtiges Ziel der Litigation-PR liegt unter anderem im Schutz der Reputation betroffener Personen und Unternehmen. Typische Beispiele sind Schadensersatzklagen, Produkthaftungsklagen, Patentschutzklagen und Scheidungs- oder Erbauseinandersetzungen. Meist, so Alfred Autischer, liege die Herausforderung darin, den Klienten bei solchen Klagen aus den Medien herauszuhalten. Manchmal geht es aber auch um das Gegenteil: Eine bestimmte Sichtweise der Causa in den Medien aktiv zu verbreiten.
Die Diskussion zeigte außerdem, dass es im Bereich Litigation-PR noch so manches Missverständnis auszuräumen gibt. „Die Zielgruppen von Litigation-PR sind vielfältig, unter anderem die Arbeitnehmer und die Shareholder. Um Richter oder die Staatsanwaltschaft gehe es in der Regel nicht“, erläutert Prof. Dr. Thomas Klindt. Dennoch fürchten viele Richter die Einflussnahme der Litigation-PR auf den Prozessverlauf, was Umfragen immer wieder zeigten. Hier geht es auch darum, Vorurteile bei Juristen abzubauen. Denn eines liege auf der Hand: Kanzleien müssen immer häufiger integrative Strategien finden, wie sie juristische Konflikte auch jenseits der Gerichte lösen können.
Für Unternehmen können Gerichtsverfahren langwierige und kostspielige Konsequenzen haben. So wurden Siemens für seine Korruptions- und Compliance-Verfehlungen Milliardenstrafen auferlegt. Dabei hätte es allerdings auch eine Reihe kommunikativer Kollateralschäden gegeben, machte Professor Klindt deutlich, die mittelfristig sogar noch gefährlicher werden können als der monetäre Schaden. So habe das Urteil etwa eine abschreckende Wirkung auf potentielle Bewerber gehabt: Die Bewerberzahlen gingen zurück, zahlreiche Top-Kandidaten insbesondere in den so wichtigen Innovationsfeldern, zögen den Konkurrenten General Electric vor. Ein typisches Beispiel, wie juristische Auseinandersetzungen die Reputation massiv beeinflussen können, etwa auch im Bereich Employer Branding.
In der praktischen Arbeit während eines Litigation-Mandats kommt es auf die produktive, sich ergänzende Zusammenarbeit zwischen Litigation-PR-Experten und Juristen an. Auch wenn beide Experten ein gemeinsames Ziel im Auge haben, haben sie doch unterschiedliche Herangehensweisen, die es zu integrieren gilt. Entsprechend diagnostizierte Prof. Dr. Thomas Klindt auch „wechselseitigen Beschnupperungsbedarf“. In einer erweiterten Zusammenarbeit zwischen Kanzleien und internationalen PR-Beratungen liegt allerdings ein großes Potenzial für alle Beteiligten – der Abend im Roomers hat dies eindrücklich vor Augen geführt.
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