Kommunikation in Katastrophen: Krisenkompetenz in den Kommunen stärken
Wenn uns die Flutkatastrophe eines zeigt, dann, dass wir auch mit dem Unerwarteten rechnen müssen. Und Krisenkommunikation ist selbst für Unternehmen immer wieder herausfordernd, die in diesem Bereich mit Audits, Trainings, Prozessen und Handbüchern sehr gut aufgestellt sind. Angesichts der Überschwemmungen sind jetzt plötzlich auch Verwaltungen in einem Maße in ihrer Kommunikation gefordert, das kein jemals für möglich gehaltenes Szenario vorausgesehen hat.
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Das zeigt das Beispiel Erftstadt, eine mittelgroße Stadt mit rund 50.000 Einwohnern im nordrhein-westfälischen Rhein-Erft-Kreis. Dort hatte die Erft eine Kiesgrube geflutet – mit dramatischen Folgen: Erdrutsche rissen eine Wiese fort, drei Häuser stürzten ein, weitere müssen abgerissen werden. Glücklicherweise gab es keine Toten. Was können Städte hier für ihre Krisenkommunikation lernen?
Binnen Stunden explodierte in Erftstadt das Kommunikationsvolumen, plötzlich standen selbst internationale Medien von Al-Jazeera bis zur Washington Post vor der Türe und verlangten Auskunft und Interviews. Zahlreiche Organisationen und Stellen der öffentlichen Hand mussten koordiniert werden. Und die Bürgerinnen und Bürger verlangten Informationen, die zu dem Zeitpunkt oft noch unklar waren.
Besonders hohe Anforderungen werden an das „Top-Management“ der öffentlichen Verwaltung gestellt. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssen ungewohnte Prozesse koordinieren und vor allem überall zugleich sein: an den Schnittstellen mit Ämtern und Helfern, im Gespräch mit den Medien, wo sie um Unterstützung ihrer Stadt werben, und vor allem natürlich bei den Bürgerinnen und Bürgern. In dieser hochemotionalen Situation, in der viele Menschen Lebenswerk und Existenz verlieren, wollen sie die Stadtoberhäupter an ihrer Seite sehen. Die Betroffenen müssen auch unter höchster Arbeitslast im Zentrum der Kommunikationsbemühungen stehen – und sie reagieren empfindlich, wenn sie ihrer Ansicht nach nicht ausreichend beachtet werden.
Das gelingt nur, wenn – wie in einem Krisenteam im privaten Sektor – Sprecher und Koordinator nicht ein- und dieselbe Person sind. Bürgermeister müssen sich hier Raum schaffen und wie Carolin Weitzel in Erftstadt persönlich mit Bürgerinnen und Bürgern in den Notunterkünften und in der Katastrophenzone sprechen. Auch der Besuch hochrangiger Politiker vor Ort hat durchaus einen praktischen Wert: Wer eine Krisensituation selbst sieht, mobilisiert in der Regel mehr Hilfe. Dafür ist aber dringend zu empfehlen, auf externe Unterstützung zurückzugreifen – insbesondere auch auf Freiwillige, die sich in der Verwaltung auskennen und etwa selbst jahrelang in der Gemeinde gearbeitet haben.
Zentral ist auch, eine Infrastruktur für die Kommunikation des Krisenteams zu schaffen. Neben regelmäßigen Treffen des Teams sind dies Plattformen für den Austausch wie z. B. sichere Messenger-Gruppen. Es muss jederzeit sichergestellt sein, dass alle die neuesten Informationen erhalten.
In der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern sind das persönliche Gespräch und Anlaufpunkte immens wichtig, damit die Verantwortlichen direkt mit den Menschen über ihre Sorgen und Nöte sprechen können. Wenn technische Grundlagen wie Strom oder Telefon versagen, sind analoge Informationsblätter und Infostände die Mittel der Wahl. Auch die Zusammenarbeit mit lokalen Radiosendern bietet sich an, um möglichst viele Menschen rasch erreichen zu können. Wie ist die Situation? Was wird jetzt getan, was geschieht als Nächstes? Wo erhalten Bürger welche Hilfe?
Gleichzeitig gilt es, das Interesse der Medienvertreter auf eine Weise zu kanalisieren, die den Bürgerinnen und Bürgern möglichst viel Privatsphäre bietet und zugleich den Informationsbedarf der Presse bedient. Die Ankündigung einer zentralen Pressekonferenz schafft hier Spielraum. So, wie das auch am Tag der Öffnung des Stadtteils Erftstadt-Blessem organisiert wurde: Hier durften ab 8 Uhr morgens die Bürgerinnen und Bürger in den Ort, für die Medien wurde ein Termin um 12 Uhr angesetzt. In der Zwischenzeit wurden vom Team der Stadt Fotos online zur Verfügung gestellt.
Einstellen sollten sich die Verwaltungen auch darauf, mit Hilfsangeboten aus der Bevölkerung umzugehen. Hier bieten sich, wie in Erftstadt geschehen, beispielsweise Online-Plattformen an, auf denen Hilfsgesuche und Hilfsangebote zusammenkommen können. Vielen Menschen ist es angesichts der Flutkatastrophe ein großes solidarisches Bedürfnis, zu helfen. Dabei fehlt ihnen jedoch oftmals das Verständnis dafür, welchen Aufwand ihr Angebot erzeugt. So hat in Erftstadt eine Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger Wohncontainer organisiert und suchte Möglichkeiten, sie aufzustellen. Aus den Niederlanden kam ein Konvoi von 100 Lastwagen mit Hilfsgütern an – die dann erstmal auf dem Nürburgring geparkt werden mussten. Auch wenn Zeit und Kapazitäten sehr knapp sind, empfiehlt sich, sehr bewusst mit diesen Anfragen umzugehen, um die Hilfsbereitschaft effizient zu nutzen. Wenn nicht sofort, dann zu einem späteren Zeitpunkt. Wie bei der Presse als Stakeholdergruppe sollte es auch hierfür eine extra geschulte Ansprechperson geben.
Die Tage der Flutkatastrophe haben mit Blick auf die Kommunikation gezeigt: Städte und Kommunen brauchen ein ebenso eingespieltes wie trainiertes Team in der Krise. Diese Kompetenz muss nicht in jeder kleinen Ortschaft vorhanden, aber zumindest zentral abrufbar sein. Und wie nach jeder Krise in der Privatwirtschaft sollte in allen betroffenen Regionen als Teil der Aufarbeitung nach der unmittelbaren Krisenbewältigung auch eine ehrliche Bestandsaufnahme der Kommunikation stattfinden: Was lief gut, welche Möglichkeiten der Verbesserungen gibt es?
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