Politische Kommunikation auf Augenhöhe schafft Vertrauen

von
Leah Schrimpf, Hendrik Köstens

Zwei Figuren

Über Inhalte lässt sich vortrefflich streiten. Neben den Inhalten ist es für Politiker:innen und ihre Beziehung zu den Wähler:innen jedoch auch von großer Bedeutung, wie sie kommunizieren. Und hier scheint sich eine Änderung zu vollziehen, die in der öffentlichen Debatte zumeist am Kommunikationsstil von Robert Habeck (Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, festgemacht wird. Im Rahmen der Vorstellung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP versprach Robert Habeck „ein lernendes Deutschland, eine lernende Politik“. Dieser Ansatz spiegelt sich in seiner Kommunikation wider. Er mutet der Öffentlichkeit Komplexität zu und gibt nicht vor, perfekte Lösungen für Herausforderungen zu haben.

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Was macht den Ansatz aus?

Ein Beispiel dafür ist Habecks Kommunikation zur Situation der PCK Raffinerie im ostdeutschen Schwedt. Die Raffinerie ist essenziell für die Treibstoffversorgung Ostdeutschlands und bezog bis zum Öl-Embargo der EU ausschließlich russisches Erdöl über die durch Polen verlaufende Druschba-Pipeline. Habeck versprach dem Unternehmen und seinen Mitarbeiter:innen Hilfe, versuchte dabei aber keine falschen Hoffnungen zu wecken. Er erklärte, dass sein Ministerium an drei Dingen arbeite: die Vorbereitungen für Öllieferungen aus anderen Ländern über den Hafen von Rostock, finanzielle Hilfen des Bundes für etwaige Mehrkosten nach der Umstellung auf Öl aus teureren Quellen sowie eine mögliche Treuhandstruktur, um den bisherigen russischen Haupteigentümer Rosneft abzulösen.

Gleichzeitig betonte der Minister: „Ich will Sie nicht verkackeiern und Ihnen auch nicht irgendwie den Himmel rosarot malen. Es kann sein, dass es an irgendeiner Stelle hakt, es kann sein, dass irgendwas nicht funktioniert.“ Und mit Blick auf die längere Frist unterstrich er, dass die Raffinerie grundsätzlich ein neues Geschäftsmodell benötige, und verwies dabei auf eine mögliche künftige Produktion klimaneutraler Treibstoffe. Was diesen Kommunikationsstil ausmacht, ist die Zumutung von Komplexität einerseits. Und andererseits die Transparenz bei der Darlegung von Handlungsoptionen, bei Abwägungsgründen und der Anerkennung von Grenzen bei den Einflussmöglichkeiten der Politik. So lädt Habeck beispielsweise regelmäßig Videos ins Netz. Hier erläutert er, wie bestimmte Entscheidungen zustande kommen. Er macht auch deutlich, an welchen Stellen Stakeholder als Expert:innen in die Prozesse einbezogen werden, um eine Grundlage für informierte Entscheidungen zu schaffen.

Dieser Ansatz wird auch in seinem Handeln und in seiner Kommunikation während der Gas Krise deutlich. Diese ist stark von Pragmatismus und Notwendigkeiten geprägt, anstatt sich ausschließlich auf die Inhalte des Koalitionsvertrages zurückzuziehen oder darauf festnageln zu lassen. Das lässt sich etwa an der Entscheidung ablesen, Kohlekraftwerke zur Einsparung von Gas wieder hochzufahren – aber auch an der Diskussion zum Streckbetrieb von Kernkraftwerken. Hierfür sollen Habeck zufolge die Ergebnisse des aktuell laufenden zweiten Stresstests zur Sicherheit der Stromversorgung die Entscheidungsgrundlage bilden.

Die Wirkung auf den demokratischen Diskurs

Aber was folgt aus dieser Art, Politik zu kommunizieren, für unseren demokratischen Diskurs? Im Idealfall kann sie einen Beitrag dazu leisten, die öffentliche Debatte in Deutschland jenseits ideologischer Polarisierung zu beleben. Die Kommunikation von Entscheidungsoptionen und Abwägungsgründen kann als Ausgangspunkt für weitergehende Debatten dienen. Es lohnt sich auch, nach einer einmal getroffenen politischen Entscheidung am Ball zu bleiben, wenn von Anfang an klar kommuniziert wird, dass auf Basis von Erfahrungswerten und neuen Informationen bei Bedarf nachgesteuert wird.

Die beschriebene Art der Kommunikation traut den Wähler:innen etwas zu. Sie signalisiert: Du wirst als politisch denkender Mensch ernst genommen und wir sprechen auf Augenhöhe. Darüber hinaus kann die Transparenz zur politischen Entscheidungsfindung der Identifikation von Wähler:innen mit demokratischen Prozessen stärken: Sie können darin ihr eigenes Vorgehen bei anstehenden persönlichen Entscheidungen wiedererkennen. Es gibt halt oftmals keine perfekten Lösungen. Entscheidungen müssen unter zeitlichem Druck oder auf Basis eingeschränkter Informationen getroffen werden. Dabei können Fehler passieren. Diese korrigiert man und lernt daraus – im Privaten genauso wie im Politischen.

Damit unterscheidet sich dieser Kommunikationsstil stark von jenem früherer Politikergenerationen, der stark auf die Präsentation vermeintlich „finaler“ Lösungen setzte, statt Politik als Prozess des „Trial-and-Error“ darzustellen. Ausschlaggebend für diese traditionelle Auffassung war sicherlich die (nicht unberechtigte) Einschätzung, Fehler würden von der Öffentlichkeit nicht toleriert. Der Stil von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeichnete sich zudem dadurch aus, politische Debatten zunächst zu beobachten und dann erst politische Vorschläge zu machen. Bei Wähler:innen, die vom politischen Prozess weiter entfernt sind und Politik vor allem über die Hauptnachrichten verfolgen, kann allerdings schnell der Eindruck entstehen, als sei die getroffene politische Entscheidung tatsächlich alternativlos. In Wahrheit fand durchaus eine Debatte statt. Diese wurde aber häufig nur von den direkt involvierten Akteuren wahrgenommen.

Ein Vorbild für die politische Kommunikation von Unternehmen und Verbänden?

Unternehmen und Verbände nehmen in der Demokratie und in unserem politischen Diskurs offenkundig eine andere Rolle ein als Politiker:innen. Aber auch sie suchen nach Unterstützung in Gesellschaft und Fachöffentlichkeit, denn sie wollen als konstruktiver und kompetenter Diskursteilnehmer wahrgenommen werden. Damit steigern sie die Wahrscheinlichkeit, mit ihren Argumenten gehört zu werden. Um dies aber wirklich zu erreichen, sollten Unternehmen und Verbände genau wie Politiker:innen vermeiden, falsche Erwartungen zu wecken. Mit der Suggestion, die eigenen Produkte oder Technologien seien die alleinige Lösung für eine politische Herausforderung, machen sie sich selten glaubwürdig.

Ein einfaches Beispiel zur Verdeutlichung: Es braucht viele Bausteine, um den Wärmesektor in Deutschland bis 2045 zu dekarbonisieren. Eine Kommunikation, die behauptet, eine einzelne Lösung sei „der“ definitive Weg zum Ziel, wirkt schon im Ansatz unglaubwürdig. Wird jedoch die eigene Lösung in den Gesamtkontext eingeordnet und der mögliche Beitrag zur Wärmewende beispielsweise durch Szenarien transparent gemacht, werden Vor- und Nachteile offen diskutiert – dann schafft genau das den Ausgangspunkt für konstruktive Debatten mit den maßgeblichen Stakeholdern. Diese Art der Kommunikation ist wesentlich glaubwürdiger und schafft Vertrauen.

In Anbetracht der komplexer werdenden politischen Herausforderungen ist ein guter Entscheidungsfindungsprozess vielleicht mehr denn je auf die konstruktive Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft angewiesen. Eine entsprechende Kommunikation hilft, das dafür erforderliche Vertrauenskapital aufzubauen.

 

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  • Hendrik Köstens

    Hendrik Köstens arbeitet seit April 2021 als Managing Supervisor im Berliner Büro von FleishmanHillard. Sein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf der deutschen sowie europäischen Energie- und Klimapolitik. Vor seinem Wechsel arbeitete Hendrik sechs Jahre beim Tagesspiegel Verlag, wo er als Chef...

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