Mehr als ein Jahr in der Pandemie: Implikationen für Diversity, Equity & Inclusion in der Kommunikation

Kein Ereignis der jüngeren Geschichte hat uns als Gesellschaft so sehr den Spiegel vorgehalten wie COVID-19. Die vergangenen zwölf Monate waren für Menschen und Unternehmen gleichermaßen eine der größten globalen Herausforderungen in der jüngsten Geschichte. Die Pandemie hat uns von heute auf morgen zum Stillstand gezwungen, der soziale Radius wurde auf ein notwendiges Mindestmaß reduziert.

Doch um der Pandemie wenigstens etwas Gutes abzugewinnen: Sie hat in ihrer durchschlagenden und übergreifenden Wirkung auch eine Beschleunigung der gesellschaftlichen Transformation ausgelöst und wie ein Brennglas den Blick auf Missstände gelenkt. So hat sie zum Beispiel die Bedeutung der Digitalisierung in allen Lebensbereichen sichtbar gemacht. Ob Arbeit, Bildung, ja, selbst in Ämtern und Behörden – aber das ist ein anderes Thema…

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Die pandemiebedingte Reizentlastung hat auch unser Bewusstsein für soziale Probleme geschärft. Nicht nur für solche, die unmittelbar durch die Pandemie ausgelöst wurden – wie die Überlastung von medizinischem Personal und Mitarbeiter/-innen im Lebensmittelhandel. Sondern ebenfalls für diejenigen Themen, die unsere Gesellschaft auf unterschiedlichen Wirkungsebenen in Menschen aufteilen, die – auch in der Krise – Privilegien genießen und jene, die täglich strukturellem Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt sind.

Ein Jahr nach #Blacklivesmatter und #Hanau

Man könnte fast meinen, es sei eine böse Laune der Geschichte, dass die Tötung George Floyds und der Anschlag in Hanau genau in die erste Phase der gesellschaftlichen Notbremse fielen. Beide Ereignisse hätten kaum die enorme gesellschaftliche Wirkung und Solidarisierung entfaltet, wenn sie in „normalen“ Zeiten mit all ihren Zerstreuungsangeboten und Ablenkungsmöglichkeiten stattgefunden hätten.

Nun aber standen sie besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Dabei ist die Sensibilisierung vor allem einer jungen, emanzipierten Generation zuzuschreiben, die sich für eine gerechte und nachhaltige Zukunft einsetzt, die Möglichkeiten der sozialen Medien nutzt, um auf Hass und Diskriminierung aufmerksam zu machen – und vor allem auch von den Unternehmen die Übernahme von Verantwortung fordert.

Die Folgen dieser Entwicklung sind von Land zu Land unterschiedlich, Kultur, Geschichte und Kontext sorgen für viele Nuancen in Bezug auf Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration bzw. DE&I. Auch die gesellschaftliche Rolle von Unternehmen variiert. Die Prinzipien, die es Organisationen ermöglichen, den Fortschritt mit konkreten Maßnahmen und authentischem Engagement voranzutreiben, sind jedoch universell.

2021 stehen Vielfalt und Inklusion auf dem Prüfstand

Es darf davon ausgegangen werden, dass die Position und das entsprechende Verhalten von Unternehmen in diesem Jahr stärker unter Beobachtung stehen als je zuvor – mit dem Bereich DE&I in allen seinen Facetten im Zentrum. Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass sich Vielfalt auch weiterhin ganz oben auf der Prioritätenliste findet.

Sie müssen sich damit befassen, wie sich ihr Handeln auf marginalisierte Gruppen auswirkt. Mehr noch: Sie sollten davon ausgehen, dass Gleichberechtigung und Inklusion in ihre Überlegungen zu vielen anderen dringenden Themen – auch scheinbar weit entfernten – einfließen. Das reicht von der aktuellen Pandemie bis zur Zukunft der Arbeit und der globalen Klimakrise.

Unabhängig davon, ob sich ein Unternehmen zum schnellen Handeln verpflichtet hat oder nicht: Es sollte damit rechnen, dass es sich zu allen diesen Themenbereichen positionieren muss – von der Vielfalt in seiner Organisation über die Ungleichheiten, die das jeweilige Geschäftsmodell verursacht oder verstärkt, bis hin zu ehrlichen Bemühungen um Chancengleichheit.

So können Unternehmen ihre Handlungen und Entscheidungen bewerten:

1. Zeigen Sie Fortschritte und demonstrieren Sie Demut, Taten sprechen lauter als Worte.

Unternehmen sollten die Rechenschaftspflicht, die erforderlich ist, um DE&I voranzutreiben, nicht als eine buchhalterische Übung oder gar lästige Aufgabe betrachten. Hier geht es um weit mehr als um die geschickte Darstellung von Fakten und Zahlen – bei DE&I geht es um Menschen und deren alltägliche Erfahrungen.

Führungskräfte sollten eine gewisse Bescheidenheit und eine ehrliche Reflexion in den Mittelpunkt ihrer DE&I-Kommunikation stellen. Nur so können sie Mitarbeitern und Stakeholdern wirklich glaubhaft zeigen, dass sie dazugelernt haben und dass dies ihre Art der Führung verändert hat.

2. Stellen Sie die Menschen ins Zentrum Ihrer Entscheidungen und achten Sie darauf, dass Sie deren Intersektionalität[1] erkennen und respektieren

Menschen überall auf der Welt haben in den letzten zwölf Monaten viel durchgemacht – in Form gemeinsamer oder auch individueller Erfahrungen. Organisationen sollten darüber nachdenken, welche Hilfestellung sie hier bieten können. Konkret heißt das, die Führung muss ihren Mitarbeitern die Zeit, den Raum und gegebenenfalls auch die emotionalen Unterstützungsressourcen zur Verfügung stellen, die jene brauchen, um über die potenzielle Erwartungshaltung von Kunden und anderen Stakeholdern nachzudenken und entsprechende Vorschläge zu entwickeln.

3. Priorisieren Sie die Rekrutierung und den Aufstieg von „diversen“ Talenten in Führungspositionen

Repräsentation auf Managementebene ist ein Element von DE&I, auf das die Unternehmen unmittelbaren Einfluss haben. Es geht um die gezielte Förderung von Talenten mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen an den Schnittstellen von Rasse, Geschlecht und sexueller Orientierung für Führungspositionen über alle Geschäftsbereiche und Funktionen hinweg. So kann das Management schon heute die Weichen für morgen stellen.

4. Die Unternehmensführung muss ihren Beitrag zu einem zukunftsfähigen inklusiven Konzept leisten

Wenn sich Paradigmen so deutlich wie im vergangenen Jahr verschieben, führt das zu neuen Standards – und zu höheren Erwartungen an die Führung. Deren Blaupause für die nächsten fünf bis 15 Jahre wird jetzt und hier von jenen geschrieben, die Gleichberechtigung ebenso ernst nehmen wie Inklusion, und dafür sorgen, dass sich die Vielfalt unserer Welt in den Ergebnissen ihrer Arbeit widerspiegelt. Einige Organisationen haben bereits einen DE&I-Verantwortlichen. Andere aber gehen jetzt schon weiter und versuchen, auch jenseits von Personalabteilung und DE&I-Funktionen soziale Gerechtigkeit in ihr Geschäftsangebot und ihr Betriebsmodell einzubetten. Damit zeigen sie auf, wie sich Organisationen „mit Zukunft“ in Zukunft verhalten werden.

5. Verpflichten Sie sich zur stetigen Verbesserung, nicht zur Perfektion

Die ökonomischen und sozialen Probleme sind komplex und zumeist tief in der Art und Weise verwurzelt, wie unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften funktionieren.

Das könnte entmutigen – sollte es aber nicht. Wir müssen den Blick stets nach vorne richten und das Bessere wollen, auch wenn wir vermutlich keine Perfektion erreichen werden.

Im laufenden Jahr haben Organisationen genügend Zeit, ihre Fortschritte zu überprüfen und sich auf Fragen vorzubereiten, die früher oder später kommen werden. Das bedeutet: Alle pro- und reaktiven Initiativen sollten hundertprozentigen Rückhalt haben, auch wenn sie –  obwohl gründlich durchdacht – noch Luft nach oben zeigen.

In jedem Fall ist es wichtig zu wissen und benennen zu können, wo sich die jeweilige Organisation auf ihrer DE&I-Reise gerade befindet und welche Geschichte sie erzählen will.

Diese Dimension kann schon als einmalig innerhalb einer Generation bezeichnet werden. Die Chancen sind enorm – wer sie aber nicht nutzt, geht ein Risiko ein: Spricht eine Organisation nicht für sich selbst, müssen die anderen beurteilen, auf welcher Seite der Geschichte sie letztendlich steht.

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[1] Bei der Intersektionalität tauchen Diskriminierungsformen wie Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Antifeminismus, religiöse Verfolgung, Homophobie, Transphobie, Behindertenfeindlichkeit/Ableismus und Disablismus, Altersdiskriminierung oder Klassismus nicht isoliert voneinander auf, sondern werden in ihren Interdependenzen und Überkreuzungen (englisch intersections) betrachtet.

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  • Sonia Mehrotra

    Sonia Mehrotra leitet die Brand Affairs Practice von FleishmanHillard in Deutschland. Gemeinsam mit ihrem Team unterstützt sie Marken aus den Bereichen Lifestyle, Food, Consumer Tech und Beauty dabei, sich kanalübergreifend zu positionieren und (neu) zu erfinden. Ihre zusätzliche Funktion Lead...

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