Pressekonferenzen ade

Kamera und Mobiltelefon

Pressekonferenzen waren einst Routine im Alltag des Journalisten und ein „Must“ im Werkzeugkasten des Kommunikators. Man traf sich, es gab etwas zu erzählen: ein paar Zahlen zum Geschäftsverlauf, ein neues Produkt oder die Meinung zu diesem oder jenem Thema. Danach noch Schnittchen, ein Espresso und Socializing. Am nächsten Tag ein paar Artikel in der Zeitung. Dann kam Corona. Und alles wurde anders. Das Homeoffice setzte sich durch. In Teilen ist dies ein Segen für beide Seiten.

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Februar 2022. Normalerweise würde jetzt die Saison der Bilanzpressekonferenzen (BPK) beginnen – lange im Voraus geplante Veranstaltungen, bei denen sich CEOs oder CFOs den Fragen der Journalist:innen stellen und einen Rückblick aufs abgelaufene Geschäftsjahr geben.

Doch vor dem Hintergrund der Pandemie fielen sie schon 2020 aus. Und 2021 auch. Und jetzt – 2022 – wieder. Die einen mögen das bedauern, weil eine Pressekonferenz immer auch ein rundes Event war, bei dem sich Journalist:innen, Kommunikator:innen und Vorstände trafen. Doch die meisten werden sich die Veranstaltungen nicht zurückwünschen. Dafür gibt es viele Gründe.

Langfristige Planungen

Größere Pressekonferenzen wie die jährliche Nabelschau namens Bilanzpressekonferenz müssen Monate im Voraus geplant werden. Ein Saal wird angemietet, wenn es die eigenen Räumlichkeiten nicht zulassen. Meistens für zwei Tage, damit die Kollegen vom Messebau eine schöne Bühne bauen können, für die sie seit Wochen planen. Technik wird gebucht: Kameras, Mikrophone, Verstärker. Brauchen wir ein WLAN im Saal? Klar, die Journalisten sollen ihre Beiträge ja gleich senden können. Und noch ein bisschen Catering. Die Dame von der Maske, damit die Redner frisch und gesund aussehen. Und jede Menge Kolleg:innen von der Pressestelle, die der Moderation die Liste mit den anwesenden Journalist:innen reichen, damit sie diese namentlich ansprechen kann. Und über allem schwebt das Corona-Vermeidungs-Konzept. Dies zeigt: Der logistische Aufwand ist enorm.

Kosten und das CO₂

Pressekonferenzen mit zig Journalist:innen kosten natürlich jede Menge Geld. Mehrere Zehntausend Euro sind da schnell weg, 100.000 Euro keine Seltenheit. Erst recht, wenn die ganze Veranstaltung dann noch im Internet gestreamt wird oder sich Analysten aus London und New York einloggen wollen.

Und auch die Ökobilanz sieht nicht gut aus. Aus allen Himmelsrichtungen reisen die Pressevertreter:innen an, manche mit dem Auto, manche mit der Lufthansa. Der Vorstand ebenso. Klimaneutral geht anders.

Aufwand und Nutzen

Nicht nur die Unternehmen betreiben erheblichen Aufwand, wenn sie zur Pressekonferenz laden. Wochenlang werden Ablaufpläne erstellt und Deadlines gesetzt. Ein Bühnendesign wird erstellt, die Beleuchtung muss sitzen, es gibt einen Soundcheck.

Auch für die Journalist:innen ist der Trip mit Aufwand verbunden. Zumal dann, wenn sie – wie seit Corona üblich –  im Homeoffice sitzen statt in der Redaktion. Ihnen geht wertvolle Zeit in der Bahn verloren, Anreise, Abreise. Und schreiben müssen sie auch noch. Am besten gleich am Veranstaltungsort, dann nichts wie weg zum nächsten Termin. Hoffentlich war das jetzt kein Superspreader …

Es geht auch ohne

In den USA ist die Zahl der Pressekonferenzen seit Jahren auf ein Minimum geschrumpft. Schon aufgrund des Zeitunterschieds haben sich bereits früh die „Conference Calls“ durchgesetzt, um Journalist:innen an der Ostküste und an der Westküste zeitgleich zu informieren. Auf der Website des Unternehmens liefen parallel die Charts. Corona hat diesen Trend ins Digitale massiv beschleunigt.

Heute gehören TEAMS, ZOOM oder Skype zum Alltag. Und jeder hat sich dran gewöhnt, auch wenn es anfangs aus der Not geboren schien. Inzwischen sind virtuelle Treffen das neue Normal, einfach, weil die Vorteile überwiegen – für Unternehmen ebenso wie für die Journalist:innen. Die Pressekonferenz als Verkündungstool gehört in vielen Bereichen der Vergangenheit an. Ihr Nutzen ist reduziert. Die Praktikabilität von Online überwiegt. Die Botschaft erreicht über einen anderen Kanal seinen Empfänger. Es kommt schließlich auf den Inhalt an.

Fazit

Corona hat Präsenzevents reduziert – und das nicht nur in der Fußballarena. Auch in der Kommunikation mussten neue Kanäle dafür gefunden werden, dass der Content in die Öffentlichkeit kommt. Früher war es analog, heute ist es digital. Die Zeiten, in denen Journalist:innen morgens zwischen zehn anstehenden Pressekonferenzen entscheiden mussten, sind vorbei und kommen nicht wieder. Der Paradigmenwechsel ist vollzogen.

Doch wie immer gibt es auch hier Kompromisse. Die gute alte Regierungs-PK wird es wahrscheinlich noch genauso lange geben wie das tägliche Pressebriefing der EU-Kommission – beide haben dafür eigens dafür eingerichtete Säle, die im Grunde ein Fernsehstudio sind. Doch für Unternehmen lohnt sich oftmals der Aufwand nicht. Für sie ist der Conference Call oder die virtuelle Pressekonferenz eine ideale Alternative. Denn digital ist kostengünstiger, effizienter und flexibler.

 

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  • Martin Halusa

    Martin Halusa ist Head of Media Relations & Content bei FleishmanHillard Germany. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Entwicklung von nationalen und internationalen Medienstrategien sowie authentischen Inhalten für und mit Kunden. Er bringt jeweils mehr als 15 Jahre Erfahrung in der...

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