Die Novelle der Nationalen Wasserstoffstrategie muss Antworten auf drängende Fragen liefern

von
Jeremias Schleeger

Jeremias Schleeger

Um der deutschen Industrie und dem Transportsektor bei den Aufgaben der Dekarbonisierung und klimaneutralen Transformation eine Orientierung zu geben, entwickelte die vergangene Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie. Die aktuelle Regierung steht jetzt vor der Aufgabe, diesen Leitfaden zur Harmonisierung öffentlicher und privater Initiativen der veränderten Realität in Europa und an den Energiemärkten anzupassen. Die Privatwirtschaft steht in den Wasserstoff-Startlöchern und die Gesellschaft fordert aktiv ambitionierte Klimaziele und realistische Lösungen. Damit dieses monumentale Unterfangen gelingt, muss die Kommunikation zwischen den betroffenen Stakeholdern stimmen.

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Wasserstoff birgt enormes Potenzial für Wirtschaft und Klimaschutz

Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft hat enormes Potenzial und könnte zur Grundlage für ein neues Wertschöpfungsmodell werden. Er erfordert zum einen den Aufbau einer steten Versorgung mit ausreichend grünem Wasserstoff. Zum anderen würde der Wirtschaft sektorübergreifend ein Mittel zum Einhalten der Klimaziele und zu nachhaltigem Wachstum an die Hand gegeben.

Auch die Bekämpfung der Energiekrise und der Wasserstoffhochlauf sind per se kein Widerspruch. Industrieprozesse, die sich mit grünem Strom nicht vollständig dekarbonisieren lassen, sorgen für eine wachsende Nachfrage. Industrien, die zu Jahresbeginn noch Gas als Zwischenschritt in ihrer Dekarbonisierungsstrategie eingeplant hatten, überdenken nun ihre mittelfristigen Pläne. So wird der deutsche Markt als Exportziel von blauem und grünem Wasserstoff interessanter.

Zentrale Herausforderung ist das bisher knappe Angebot an nachhaltigem Wasserstoff

Um ganzen Industriezweigen und Teilen des Transportsektors die Dekarbonisierung durch Wasserstofftechnologien zu ermöglichen, reichen die aktuellen Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff bei weitem nicht aus – ebenso wenig wie die mittelfristig prognostizierten heimischen Produktionsmengen. Auch die im Koalitionsvertrag vorgesehenen 10 GW Elektrolysekapazität hinken der Verbraucherseite hinterher. Es gilt also, Importquellen zu erschließen. In diesem Kontext macht die Bundesregierung aber auch deutlich, Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen zu wollen. So will sie daraufhin wirken, dass die künftige Versorgung Deutschlands mit dem notwendigen Wasserstoff auf einer möglichst breiten Importbasis steht. Die Verfügbarkeit von grauem und blauem Wasserstoff für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft wird durch die gegenwärtige Energiekrise und -knappheit hingegen stark in Frage gestellt.

Finanzierungs- und Regulierungsfragen klären

Hand

Für den Transport von grünem Wasserstoff zu den Verbrauchern braucht es auch eine entsprechende Infrastruktur, deren Aufbau finanziert werden muss. Für den Einsatz von grünem Wasserstoff bei den Verbrauchern werden neue, entsprechend kompatible Anlagen benötigt – beispielsweise Stahlöfen. Beides erfordert enorme Investitionen, die von der Wirtschaft nicht allein getragen werden können. So wird der Aufbau eines Wasserstoffnetzes bis 2050 geschätzte 18 Milliarden Euro kosten. Auf der Abnehmerseite prognostiziert allein die Stahlindustrie notwendige Investitionen von 30 Milliarden Euro. Für die Unternehmen ist vor diesem Hintergrund vor allem Planungssicherheit wichtig.

Mit welchen Mengen an grünem Wasserstoff kann in welchen Sektoren bis wann gerechnet werden? Wie wird der Finanzierungsrahmen in den kommenden Jahren aussehen? Und wie der Regulierungsrahmen für die Wasserstoffinfrastruktur und den Einsatz von Wasserstoff in den verschiedenen Sektoren? Antworten auf diese Fragen sind nötig, um wirtschaftliche Geschäftsmodelle rund um Wasserstoff zu entwickeln und mehr und mehr private Investoren aus ihren Startlöchern zu locken.

Die Transformation erfordert Kooperation und enge Abstimmung

Den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft im europäischen Binnenmarkt – auf jeden Fall aber bundesweit – zu harmonisieren, ist nicht nur zu Investitionszwecken notwendig. Eine der größten Herausforderungen für die Planung ist das Henne-Ei Problem zwischen Angebot und Nachfrage. Beide Seiten sind zum Hochlauf voneinander abhängig. Zukünftige Wasserstoffproduzenten müssen sich mit Abnehmern aus Industrie und Transportsektor zusammensetzen, um Investments und Projektrealisierungen zu harmonisieren.

Gemeinsam mit der öffentlichen Seite muss die Herausforderung gemeistert werden, dass wirtschaftliche Planungszyklen um einiges länger sind als Legislaturperioden bzw. politische Zyklen. Die Novelle der Wasserstoffstrategie sollte daher auch die Frage nach einer integrierten, langfristig angelegten Planung und Umsetzung der notwendigen Infrastruktur adressieren.

Alles in allem ist der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft und der dazugehörigen Energieindustrie ein Unterfangen von bisher nicht dagewesenen Ausmaßen. Das betrifft den Umfang der technologischen Transformation ebenso wie die Investitionsgrößen, insbesondere aber auch das Tempo. Alles das macht die Kommunikation und Koordination zwischen allen betroffenen Stakeholdern so entscheidend.

Auch Public Affairs-Verantwortliche stehen im Zentrum dieser Kommunikationsaufgabe

Die weitere Entwicklung des Finanzierungs- und Regulierungsrahmens für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft braucht einen engen Austausch zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Public Affairs-Verantwortliche haben hier eine kommunikative Scharnierfunktion und strukturieren den Austausch.

Es gilt, gemeinsam die Anforderungen an den Regulierungsrahmen zu definieren, um Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen. Inhaltlich geht es um den koordinierten Ausbau der Transportinfrastruktur für Wasserstoff, die Entwicklung der heimischen Produktion, die Erschließung von Importquellen, die Bedingungen für den Einsatz und die Unterstützung der Wirtschaft bei der Einführung von Wasserstofftechnologien.

Die Novelle der Wasserstoffstrategie wird bis Jahresende erwartet

Die Ausarbeitung einer überarbeiteten Wasserstoffstrategie, die ja auch Teil des Koalitionsvertrags der Bundesregierung ist, verzögert sich aktuell. Hier bindet das Krisenmanagement der Energiekrise viele Kapazitäten. Inhaltlich sieht der Koalitionsvertrag einen schnellen Markthochlauf mit der Priorisierung nationaler Erzeugung vor. Damit eine günstige Versorgung mit grünem Wasserstoff erreicht werden kann, soll auf eine ‚technologieoffene Ausgestaltung der Wasserstoffregulatorik‘ gesetzt werden.

 

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